2.2.10

Up In The Air


USA, 2009 (Up In The Air) Regie: Jason Reitman mit George Clooney, Vera Farmiga, Anna Kendrick, Jason Bateman 110 Min. FSK o.A.

George Clooney kann einem alles verkaufen, irgendeine Pad-Plörre als Edel-Kaffee und selbst die eigene Kündigung. Den Rausschmiss als Chance und Beginn eines neuen Lebensabschnittes zu verkaufen, ist der Job von Ryan Bingham (George Clooney), der in der Krise Hochkonjunktur hat. So ist Ryan immer unterwegs, von einer Fabrikschließung zum nächsten Heuschrecken-Massaker quer durch die USA. Er lebt in der Luft und liebt all die Sachen, die andere am Fliegen hassen. Dieser leidenschaftliche Vielflieger macht selbst die absurden Sicherheitskontrollen zu einer lässigen Performance. Ryan hat ein leichtes Leben, denn alles, was er braucht, ist in seinem Handgepäck. In Vorträgen propagiert er dafür, sich nicht nur der Last aller Besitztümer zu entledigen. Ebenso viel wiegen menschliche Beziehungen, deshalb reduziert der charmante Mann diese auch aufs Nötigste. Eine heiße Romanze im Flughafen-Hotel fängt für Ryan und Alex Goran (Vera Farmiga) damit an, dass sie sich gegenseitig mit ihrem Frequent Flyer-Status anmachen. Der Sex ist auch wild und großartig. Schwierig nur, einen gemeinsamen Termin zu finden, bei zwei Menschen, die dauernd unterwegs sind.

Die Katastrophe für Ryan tritt ein, als seine Feuer-Firma Reisekosten einsparen will und die Kündigungen nur noch über Videokonferenz laufen sollen. Das Rausschmeißen einer Fremdfirma anzuvertrauen, weil man selbst nicht sehen will, was man mit seinen „Sparmaßnahmen“ anrichtet, ist schon brutal. Diese ganze Angelegenheit per iChat zu „erledigen“, das ist ähnlich sensibel wie eine Beziehung per SMS zu beenden. Menschen sind auf seinen Reisen Hindernisse, aber beim Kündigen legt Ryan Wert auf Menschlichkeit. Deshalb geht er noch ein letztes Mal auf Tour, zusammen mit der jungen, naiven Computer-Expertin Natalie (Anna Kendrick), die ihre Jobs vereinfachen will. Diese Reise wird mit ein paar klugen Erkenntnissen Natalies seine Philosophie des leichten Lebens mit Handgepäck auf den Kopf stellen. Der Überflieger Ryan Bingham wird den Sinn des Lebens und des Fliegens neu verstehen.

Schon „Die Reisen des Mr. Leary“ führten vor, wie man viel von der Welt sieht, ohne von irgendwas berührt zu werden. „Up In The Air“, nach Walter Kirns Roman "Mr. Bingham sammelt Meilen", erzählt mit Witz und Weisheit, wie man viele Meilen fliegt, ohne bewegt zu werden. Mitten im Film gibt es ein tiefes, weises Gespräch über das, was man vom Leben erwartet. Das vom gerade mal 33-jährigen Regisseur Jason Reitman? Doch der Sohn von Ivan Reitman („Ghostbusters“, „Dave“) legte ja schon mit dem gefeierten und preisgekrönten „Juno“ so eine echte Geschichte aus dem Leben hin. Wieder muss man diesen Film lieben und auch die Musik gehört erneut in die Kategorie „will ich sofort haben“.

Anfangs sieht man die Orte von ganz oben aus der Ryan-Perspektive, weit weg von den kleinen und großen Sorgen der Menschen. Flug und Flucht sind ja etymologisch verwandt, haben im Englischen und Niederländischen noch den gleichen Begriff. Rasant geschnitten ist die Dauerflucht vor Familie und Bindungen. Dann gibt ihm eine Affäre etwas Halt und man bekommt direkt Angst um die Zukunft der beiden, die gerade zueinander finden. Dass ausgerechnet der Dauer-Flieher dem Bräutigam, der vor der Hochzeit abhauen will, vom Guten der Ehe überzeugen soll, ist eine sensationelle Szene von vielen. Und es ist grandios, wie perfekt und mit so vielen feinen Noten Clooney auch diesen Typ hinbekommt. Der kann einem einfach alles verkaufen...