4.12.09

Die magischen Daumenkinos des Volker Gerling

Großes Kino im kleinen Format

Aachen. Magie und Wahrheit in 36 Bildern. Der „Daumenkinograph“ Volker Gerling fängt mit seinen kleinen Kunstwerken das Herz der Menschen ein. Die Form Daumenkino wirkt antiquiert, waren das nicht die kleinen Strichmännchen-Geschichten auf den Ecken von Büchern und Heften? Eine Vorstufe des echten Kinos? Dem ehemaligen Kameramann Volker Gerling gelingt es mit zauberhaften Daumenkino-Porträts und seinen Geschichten, mehr zu faszinieren als die meisten Multimillionen-Dollar-Produktionen. Am Samstagabend (5.12.2009, 20.30 Uhr) kann man ihn einmalig in Aachen erleben.

Die Geschichte des Daumenkinographen begann 2003 mit einer mehrmonatigen Wanderung Gerlings nach Basel. Der Berliner hatte seine Kamera dabei und war offen für Begegnungen und Geschichten. Zum Beispiel die des alten Mannes mit der Kappe, der in seinem Garten werkelte, Gerling einlud und ihn gar nicht wieder gehen lassen wollte. Kein Wunder, seine Frau war vor einer Weile gestorben. Am Ende des Gesprächs fragte der Zuhörer, ob er den alten Mann fotografieren dürfe. Ja, kein Problem. Und jetzt ereignet sich der magische Moment, der die Essenz der Gerlingschen Daumenkinos ausmacht: Die Menschen positionieren sich vor dem Objektiv, es klickt … und es klickt und es klickt noch einmal. Genau 36 mal, ein ganzer Fotofilm wird im Schnelldurchgang belichtet. Die überraschten Menschen zeigen spätestens beim dritten Klick ihre Irritation, verlieren die übliche Fotohaltung und am Ende sieht man sie echt und offen, meistens lachend in die Kamera blicken.

Zahllose Daumenkinos mit Menschen, deren Geschichten ihn berührten, hat Gerling im Laufe der Jahre auf mehreren Wanderungen erstellt, die Feuilletons der großen Tageszeitungen feierten den Zauber dieser scheinbar einfachen Kunst. Auf den Reisen - eine wurde vom Goethe-Institut in Auftrag gegeben - hat Gerling mit einem Bauchladen sein eigenes Daumenkino-Museum dabei und führt die kleinen Kunstwerke immer wieder vor. Vor großem Publikum überträgt eine Kamera die Bilder, wobei der packende und bewegende Vortrag eine weitere Qualität des fotografischen Menschenfängers ist. Wer Gerling schon mal erleben durfte, er war bereits zweimal im Last Exit, kann sich auf alte Bekannte, aber auch ein paar neue Daumenkinos mit neuen Geschichten von einer Wanderung im Norden Deutschlands freuen. Dabei entstand an der Ostsee ein Liebesfilm-Daumenkino an einem Fischstand. Es gibt nach sechs Jahren auch ein Wiedersehen mit und ein neues Daumenkino von Ariana, dem Mädchen mit den Sommersprossen. Der ungewöhnliche Spielort der Szenekneipe in der Krakaustraße ist übrigens eine Qualitäts-Empfehlung: Ehemalige Kleinkünstler wie Rene Marik und Rainald Grebe waren auch regelmäßig zu Gast im Exit, jetzt füllen die großen Hallen des Landes.