22.11.09

Die Tür


BRD 2008 (Die Tür) Regie: Anno Saul mit Mads Mikkelsen, Jessica Schwarz, Heike Makatsch, Thomas Thieme 103 Min. FSK ab 16

Wenn man als Eltern Sex hat, verunglücken einem die Kinder. Was wie chinesische Propaganda für die Einkindehe aussieht, ist Grundlage sowohl für Lars von Triers Beziehungs-Horror „Antichrist“ als auch für diesen sehenswert raffinierten Fantasy-Thriller in sehr realem deutschen Villenviertel-Setting.

Ein Quickie mit der Nachbarin (Heike Makatsch) bringt das Leben des berühmten Malers David (Mads Mikkelsen) aus der Spur, weil währenddessen seine siebenjährige Tochter Leonie unglücklich stürzt und im Pool ertrinkt. Davids Frau Maja (Jessica Schwarz) verlässt ihn, er beginnt zu trinken. Nachdem er sich ein paar Jahre später fast umgebracht hat, entdeckt er nicht fern von seiner Wohnung eine Tür im Gebüsch. Auf der anderen Seite findet er ein Spiegelbild seiner Villensiedlung. Hier geht die Zeit nach, es ist kurz bevor die Tochter ertrinkt. David sieht sein jüngeres Ich zur Nachbarin gehen, kann in letzter Sekunde die Tochter retten. Alles scheint gut, bis sich David in seinem Selbstporträt spiegelt, sich beide Davids gegenüber stehen und der bessere Vater den anderen aus Versehen umbringt. Die Leiche wird im Garten vergraben und nun beginnt der Psychothriller seine raffinierten Abgründe erst richtig auszuspielen: Die Tochter weiß, dass der neue Papa ein Fremder ist. Und ein guter Nachbar erweist sich als Blockwart im Garten und der Gegenwelt. Er klärt David mit einem auffälligen Ost-Dialekt auf: „Wir sind alle Mörder, das ist der Preis für unser Glück.“ David ist nicht der Einzige, der rübergemacht hat. Alle die etwas älter aussehen, sind verdächtig. Es gibt geradezu eine Invasion von schuldig Trauernden aus der Zukunft und ein Verbrecher auf Freigang regelt die Dinge - notfalls mit Gewalt. Als dann die Somersby-Geschichte etwas heftiger gerät, ähnelt sie unübersehbar Genre-Klassikern wie „Invasion der Körperfresser“ oder „Die Frauen von Stepford“.

Die Story nach dem Roman „Die Damalstür“ vom Autor Akif Pirinçci („Felidae“) hört sich fantastisch an. Die exzellente Umsetzung von Anno Saul („Kebab Connection“) mit hervorragenden Schauspielleistungen macht „Die Tür“ zu einem unbedingt sehenswerten Film, ganz unabhängig von Genre-Vorlieben. Mads Mikkelsen („Nach der Hochzeit“, „Adams Äpfel“, „Casino Royale“) brilliert sowohl als schuldgeplagtes Wrack als auch als reifer David, der seine zweite Chance ergreifen will, aber immer mehr dafür zahlen muss. Jessica Schwarz darf als Maja ebenso zwei Seiten zeigen, die vergrämte Dunkle und die noch hoffnungsvolle Frau in der Gegenwelt.

Bei sagenhaft guter Kamera (Bella Halben) stimmt auch sonst alles: Licht, Psychologie, die Schauspieler und das Buch. Die geniale Geschichte (Drehbuch: Jan Berger) hält die Spannung mit einem schwindelerregenden, super raffinierten Vertigo in der Zeit. Die Pointe liefert ein Nullsummen-Spiel für David und Maja. Das ist schön bitter, aber er konnte immerhin seine aufopferungsvolle Liebe bewiesen. Wem das zu fantastisch klingt, mag an Richard Gere in „Somersby“ denken - Hollywood würde man das alles viel eher glauben. Und es wird sicher bald ein US-Remake geben.