13.10.09

Das weiße Band


BRD, Österreich, Frankreich, Italien 2009 (Das weiße Band) Regie: Michael Haneke mit Christian Friedel, Burghart Klaußner, Ulrich Tukur, Susanne Lothar 144 Min. FSK ab 12

Im nüchternen Schwarz-Weiß öffnet sich ein Dorf den Blicken. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs gehen die Kinder brav zur Schule, die kleinen Bauern leisten ihren Frondienst beim Großgrundbesitzer und der neue, junge Lehrer (Christian Friedel) ist eine unwichtige Figur unter Dorfgeistlichen und Alteingesessenen. Eine Reihe von Unglücken erschüttert die Ordnung im Dorf: Zuerst stürzt der Doktor schwer mit seinem Pferd, dann verunglückt eine Arbeiterin sogar tödlich. Der kleine Sohn vom Baron wird brutal misshandelt, ein mongoloider Junge fast umgebracht.

Durch diese unerklärlichen Vorkommnisse gewinnen die persönlichen Geschichten im Dorf eine besondere Bedeutung. Da ist der Pastor (Burghart Klaußner), der geringste Eigenwilligkeiten seiner Kinder brutal bestraft. Dabei wäre die seelische Grausamkeit und Kälte in seinem protestantischen Haus schon eine Dauerstrafe. Und der Inzest beim Doktor, dazu sein enormes Maß an seelischer Grausamkeit gegenüber der Amme und Geliebten (eine Paraderolle für Susanne Lothar). Dieser Doktor ist allerdings auch der Einzige, der die Dinge klar ausspricht: „Eine gute Portion von Selbsthass“ gehöre wohl unlöslich zu diesen Menschen. Die Ehe des Baron (Ulrich Tukur) ist eine Katastrophe, Frau Baronin bleibt regelmäßig mit Liebhabern in Italien statt auf dem platten Land zu versauern. Infolge der Spannungen wird auch das neue Dienstmädchen versetzt, ein Hindernis für die junge Liebe zwischen Lehrer und der Frau aus dem Nachbarort. Doch diese Beziehung bleibt fast die einzige menschliche Wärmequelle in der Gemeinschaft. Derweil stolzieren die Kinder deutlich zu sicher und eigenwillig durch das Dorf...

Trotz der klaren Inszenierung, der nüchternen Schilderung durch die Erzählerstimme eines alten Mannes gewinnt man durch „Das weiße Band“ ein Gefühl für das Leben in so einem Dorf, für die Verhältnisse, die Bedingungen, die Wohnungen. Die Herrschaft des Barons über ein ganzes Dorf von nur anscheinend freien Kleinbauern, die alle finanziell von ihm abhängig sind. Der neue Film von Michael Haneke („Bennys Video“, „Funny Games“, „Cache“) ist ein beklemmendes, in tieferen Schichten fast horrendes Sittenbild des protestantischen Norddeutschlands. Haneke meinte in Cannes, wo sein Film die Goldene Palme gewann, „wenn ein Prinzip oder ein Ideal verabsolutiert wird, ist das die Wurzel von Terrorismus“. Da liegt die Binse nahe, dass die Töchter protestantischer Priester gerne bei der RAF landen, aber für den österreichischen Regisseur ist dies „kein deutsches Problem, sondern eine allgemeine Situation.“ „Das weiße Band“ sollte nicht nur ein Film über den Faschismus sein, „ich wollte einen Film machen, bei dem man versteckt, kein Ideal darf verabsolutiert werden.“