31.7.09

Tropa de Elite


Brasilien 2007 (Tropa de Elite) Regie: José Padilha mit Wagner Moura, André Ramiro, Caio Junqueira, Milhem Cortaz 115 Min. FSK ab 18

„Ehrlichkeit gibt es nicht. Gehen ehrliche Polizisten in die Slums, geht die Scheiße erst richtig los!“ Der Ton ist mit diesem Off-Kommentar gesetzt. Die paramilitärische BOPE-Truppe (Batalhão de Operações Policiais Especiais) dringt mit ihren schwarzen Uniformen in die Favelas von Rio De Janeiro ein, um die Drogenhändler zu bekämpfen. Die Situation ist dank der undurchschaubaren Korruptions-Landschaft kompliziert genug. Die Polizei ist hauptsächlich damit beschäftigt, sich gegenseitig Schutzgelder abzuluchsen. Jetzt - wir schreiben das Jahr 1997 - kommt auch noch der Papst zu Besuch und möchte unbedingt bei einem befreundeten Bischoff in der Nähe von Slums übernachten. Damit er nicht durch die allgegenwärtigen Schießereien gestört wird, müssen die Soldaten von BOPE im Rahmen der „Operation Heiligkeit“ die Favelas durchkämen und alle Waffen einsammeln. Ein wahnsinniges Himmelfahrts-Kommando. Mitten drin steckt der junge Capitão Nascimento (Wagner Moura). Er wird bald Vater und immer öfter packen ihn im Einsatz Angstattacken. Deshalb schaut sich der frustrierte Aussteiger unter zwei idealistischen Neulingen einen Nachfolger für aus.

Das ist der grobe Rahmen dieses heftigen und düsteren Einblicks in die Kriegs- und Krisen-Gebieten der brasilianischen Großstadt Rio. Die Geschichte eines gefallenen Engels, von der Verführung durch Gewalt und Macht, könnte von Scorsese sein und würde dann in New York spielen. Aber diese Favelas sind doch mehr brutale Realität als brutale Filmwelt. Es ist unglaublich absurd, wie sich die Polizisten gegenseitig beim Abkassieren beklauen. Wie man den zuständigen Kollegen selbst für ein Urlaubsformular bestechen muss. Wie Ersatzteile der Polizeiwagen unter der Hand verkauft werden. Und wie man Nächtens Leichen verlagert, damit ein anderer Bezirk die schmutzige Arbeit erledigen muss.

Parallel flicht der Regisseur José Padilha seine philosophische Ausgangsbasis ein: Der dunkelhäutige André Matias (André Ramiro), einer der Kandidaten für den BOPE, studiert nebenbei Jura. Michel Foucaults „Überwachen und Strafen“ führt zu heftigen Diskussionen über Polizei-Korruption und -Gewalt. Ein deutlicher Denkanstoß, denn Padilha glorifiziert keineswegs diese Spezialtruppe, die foltert, selbstherrlich richtet, mordet und schon in der Ausbildung faschistische Züge zeigt. Das Totenkopf-Logo, das auch vom Erzähler Nascimento mit so viel Stolz getragen wird, weckt Erinnerungen an die SS. Ein Trick des Films ist es, die Perspektive des zwiespältigen Gesetzeshüters einzunehmen. Er verachtet die Reichen, die Studenten, die Kiffer und die naiven Helfer von NGOs. Es scheint, nur BOPE kann noch für Ordnung sorgen. Und auch wenn die Ausbildungsroutine der Neulinge nach fast neunzig sehr intensiven Minuten dramaturgisch nicht ganz geschickt platziert wurde, auch wenn das Gerede im Off zu Wiederholungen neigt, erweist sich das teuflische Geschick mit welcher der Seelenfänger Nascimento das Wesen seines Nachfolgers deformiert, als ungemein reizvoll. Es gibt einige sehr wilde Schießereien in den ungemein dicht bevölkerten Slums, aber es passiert auch eine Menge in den zentralen Figuren. So scheitert der werdende Familienvater und erweist sich bei Druck als rücksichtsloser, egoistischer Macho.

Interessant gelöst ist die Synchronisation, die nur Nascimentos Gedanken übersetzt und die Handlung mit Untertiteln versorgt. (Diese fallen allerdings einige Male in unlesbarem Weiß auf Weiß zu billig aus.)

„Tropa de Elite“ gewann übrigens im Februar 2008 den Goldenen Bären der Berlinale und kommt erst jetzt in die Kinos. Man muss sich schon Gedanken über die gerade wieder so erfolgreiche deutsche Kinolandschaft machen, wenn gute Filme nach so einer Auszeichnung und nach einem sensationellen Kassenerfolg in Brasilien extrem spät in die Kinos kommen.