5.5.09

Boy A


GB 2007 (Boy A) Regie: John Crowley mit Andrew Garfield, Peter Mullan, Katie Lyons, Shaun Evans 100 Min.

Gewalttätige, gar mörderische Kinder oder Jugendliche waren schon immer ein Thema, sei es „Der junge Törless“ von Musil / Schlöndorff, die tödlichen „Kinderspiele“ von Ian McEwan / Wolfgang Becker oder die „Funny Games“ von Michael Haneke. In England lautet der juristische Tarnname von jugendlichen Angeklagten, deren Identität geheim gehalten werden soll „Boy A“.  Eine notwendige Maßnahme, wie dieser Film auch zeigt. Unser „Boy A“ darf sich einen neuen Namen ausdenken. Nach Jahren im Gefängnis wird er mit der neuen Identität als Jack wieder in die Gesellschaft entlassen. Sein engagierter Helfer bei der Resozialisierung ist Terry (Peter Mullan, „My Name is Joe“). Er holt Jack aus dem Gefängnis ab, erklärt ihm den neuen Job, den Polizeischutz für die ersten Tage. Die sind erfüllt vom großen Stauen angesichts einer Welt in der man mittlerweile Filme zuhause auf DVD sieht.

Jack (Andrew Garfield), der stille Junge mit seinem Geheimnis, packt das Interesse des Zuschauers schnell. Weswegen er in Haft war, wird stückchenweise verraten. So nähert man sich dem Jungen auf die gleiche Weise wie die Menschen, die mit ihm zu tun haben. „Die Wahrheit“ erfahren wir langsam über Rückblenden aus der Zeit, als Junge als er noch Eric hieß und die anderen Schuljungen ihn verprügelten. Seine Mutter hatte Krebs, konnte sich nicht um ihn kümmern. Der neue Freund Philip übte zwar einen schlechten Einfluss aus, aber immerhin wehrte er sich gezielt und brutal gegen die größeren Typen, die Eric immer schikanieren.

Mittlerweile ist Philip tot, für die gleiche Tat wie Eric verurteilt und im Knast von Mithäftlingen umgebracht. Im neuen Leben als Jack findet der extrem scheue Entlassene Freunde, die Sekretärin Michelle mag ihn, eine schöne Beziehung wächst. Eine Beziehung, um die man bangt, so wie auch Jack Angst hat vor dem neuen Leben und vor den alten Erinnerungen, die immer grausamer werden. Gleichzeitig jagen ihn die Boulevard-Medien, im Internet ist ein Kopfgeld ausgesetzt.

„Boy A“ erzählt das Drama eines mutmaßlichen Mörders, der um eine zweite Chance kämpft, in einem nüchternen Stil. Die exzellente Kamera von Rob Hardy zeigt stimmungs- und bedeutungsvolle Bilder - selbst bei dieser TV-Produktion.

Irgendwann rettet Jack ein Mädchen nach einem Autounfall. Die Parallelen zwischen damals und heute sind unübersehbar, das kleine Mädchen, das Teppichmesser, es könnte der Moment sein, in dem er seinen Mord irgendwie wieder gut macht, doch es wird der Moment, in dem die Medienöffentlichkeit ihn endgültig verurteilt. Hier achtet der Film vielleicht etwas zu sehr auf die Form, es gibt zu deutliche Verbindungen zwischen den Orten der Gewalt, zu viele wiederkehrende Elemente bei den Wechseln der Zeitebenen. Es mag etwas zu offensichtlich sein, wo der Film hingeht. Doch wie Andrew Garfield die schwierige Rolle meistert, fesselt zusätzlich. Eindrucksvoll auch die seltsame Figur des väterlichen Bewährungshelfers Terry.

Dabei geht es gar nicht um die Frage, ob eine Rehabilitation möglich ist. Jack ringt nicht mit sich in einem Kampf wie ihn Jürgen Vogel als getriebener Vergewaltiger in „Der freie Wille“ verkörperte. Das innere Drama bleibt seltsam wenig ausgeleuchtet, der Film hat seiner Figur von Anfang an vergeben.