5.1.09

Sieben Leben


USA 2008 (Seven Pounds) Regie: Gabriele Muccino mit Will Smith, Rosario Dawson, Woody Harrelson 123 Min.

Welch wunderliches Verhalten legt dieser Steuerschätzer an den Tag! Ben (Will Smith) schätzt Menschen. Nicht finanziell, nein, er wägt ihr Leben ab. Wie sie mit anderen Menschen umgehen, wie sie ihre Zeit auf Erden für Gutes nutzen oder sie vertun. Man muss bei „Sieben Leben“ sehr aufpassen, nicht dauernd ins Biblische, ins Messianische hinein zu geraten. Denn Ben hat etwas von einem guten Samariter, von einem Heiligen, wenn nicht am Anfang diese Szene gewesen wäre, wo er den harmlosen, freundlichen und blinden Menschen vom Callcenter aufs Fieseste beleidigt und provoziert. Und was sollte dieser Anruf bei der Polizei, bei dem Ben einen Selbstmord meldet, seinen eigenen?

„Sieben Leben“ hält einige Geheimnisse in der Hinterhand während man der Arbeit dieses seltsamen Schutzengels folgt. Für einen Steuerfahnder ist Ben viel zu neugierig, fragt sehr persönliche Dinge, zu persönliche. Dabei tritt er immer korrekt im Anzug auf, erfüllt diese an sich vermessene Aufgabe mit gewinnender Freundlichkeit, mit zwingender Selbstaufgabe. Der Film besteht nur aus Begegnungen mit Menschen und aus Einsamkeit. Denn Ben hat auch diese Bilder eines schrecklichen Unfalls, die herzzerreißende Erinnerungen an gute Zeiten mit seiner Frau, begleitet von einem noch schmerzlicheren Nick Drake-Song. Und er sucht diese rätselhafte Nähe zu Tödlichem, wie zu der hochgiftigen Qualle, die er in einem Aquarium hält. So will er seinen Klienten ein freundliches Gesicht zeigen, kann aber doch nicht seine tiefe Traurigkeit überspielen. Ausgerechnet bei der herzkranken Emily (Rosario Dawson) kommt mehr als menschliches Mitgefühl ins Spiel und wenn die Geheimnisse gelüftet sind, ergibt das ein Dilemma, das tatsächlich nicht besser als wiederum mit herzzerreißend beschreiben werden kann.

Zum Umschreiben dessen, was hier nicht verraten werden will, muss man den Originaltitel zu Rate ziehen: Was sind „Seven Pounds“? „21 Gramm“ waren der Unterschied vom Leben zum Tod, war das Gewicht der Seele in einem verrätselten Geflecht aus Beziehungen und Schuld. Wie schwer wiegt die Schuld? Der Schätzer Ben findet eine Antwort, die in ihrer Selbstlosigkeit schockierend ist und weit über kleinmütige Gedanken zum Für und Wider von Organspenderausweisen hinaus weist. Hier gibt jemand etwas zurück, mit unmenschlicher Konsequenz extrem menschlich. Bringt ein Opfer, das keines ist, bis eine neue Liebe, die aus Hilfsbereitschaft und Mitgefühl erwächst, zu diesem wahrlich - übertragen und wortwörtlich - herzzerreißenden Dilemma führt.

Will Smith produzierte sich erneut selbst, aber im Gegensatz zu dem Vorläufer "Das Streben nach Glück", der auch schon von Regisseur Gabriele Muccino inszeniert wurde, ist seine Rolle hier nie aufgesetzt oder zwingt krampfhaft Rührung herbei. Der ehemalige Prinz und Superheld spielt unprätentiös und so zurückhaltend, wie es bei solch einem Part eben geht. Das Ergebnis ist ein Film, der ohne die allgemeine Reizüberflutung im Kino einen Ewigkeitswert wie Frank Capras „It’s a wonderful life“ erreichen könnte.