16.12.08

Ein Geheimnis


Frankreich 2007 (Un secret) Regie: Claude Miller mit Cécile de France, Patrick Bruel, Ludivine Sagnier, Julie Depardieu, Mathieu Amalric 105 Min.

Kein Geheimnis sind die Deportationen französischer Juden durch deutsche Soldaten während der Besatzung. Eine besonders sensibel und psychologisch spannend erzählte Geschichte über die Folgen eines dieser Verbrechen vermittelt „Ein Geheimnis“. Und dazu im Kern des historischen Sturms ein ungewöhnliches Drama von Liebe und Eifersucht.

Der junge François ist ein Tagträumer. Er fantasiert sich einen Bruder herbei, der alles kann, was der schwächliche, achtjährige Knabe nicht vermag: Den Sprung vom Fünfmeter-Brett ins Schwimmbad, die Turnübungen am Reck. Es ist das Jahr 1955 in Paris. Tania und Maxime (Cécile de France und Patrick Bruel), die Eltern von François, sind ausgesprochen sportlich und schön. Bei den Nazis wären sie glatt als Muster-Arier durchgegangen, doch sie sind Juden. Und Jahre später, als François die Träume vom Bruder und die Missachtung im Blick des Vaters zu sehr quälen, klärt ihn die Nachbarin über die Vergangenheit auf. Damit eröffnet sich ein Abgrund mit all den Toten, den Ermordeten aus seiner Familie, den Freunden der Eltern und vor allem mit dem Bruder, von dem François nie wusste.

Regisseur Claude Miller bearbeitete (zusammen mit Natalie Carter) und verfilmte Philippe Grimberts autobiographischen Roman "Un secret / Ein Geheimnis" mit drei Zeitebenen, die elegant ineinander fließen (Schnitt: Véronique Lange), so wie sie sich in den Menschen gegenseitig bedingen. Dabei wirkt die farbige Vergangenheit präsenter als das „aktuelle“ Leben von François, das nur noch ein grauer Schatten zu sein scheint.

Die Geschichte der Grimberts beginnt bei einer Hochzeit mit fataler Begegnung 1936. Noch bei der Geburt von Maximes ersten Sohn Simon ist das Treffen von Hitler und Mussolini nur eine Zeitungsnotiz. Später, als unter der Besatzung und Kollaboration aus der Rue Rabelais die Petain-Straße wurde, weigert sich Maxime, den Judenstern zu tragen. Es sei ein Stern für die schwachen und er sei stark. Er bezeichnet sich gar als antisemitischer Jude, der nicht glaubt, dass die Franzosen ihren jüdischen Landsleuten etwas antun würden. Ihm gelingt auch die Flucht in die freie Zone Frankreichs, doch die schwelende Eifersucht seiner Frau führt zu einem tragischen Medea-Moment, das die Geschichte dieser Familie für immer prägen wird.

Eine folgenschwere Liebesgeschichte wird erzählt über Blicke, die für einen Bruchteil von Sekunden zu lang verharren, oder sich zu rasch abwenden. So dezent setzt der Film auch seine anderen Akzente, fügt minimale Verzögerungen für die großen emotionalen Momente ein. „Ein Geheimnis“ verzeichnet die unlösbare Verbindung von Vergangenem und Gegenwart in genauen und intensiven Details. Die verwobenen Bilder prägen sich ein, ohne einzulullen. So soll irritieren, dass unter den immer wieder dokumentarisch in die Handlung geschnittenen Zeitbildern ausgerechnet der Körperkult von Leni Riefenstahl in den Olympia-Träumen von Maxime aufblitzt.

„Ein Geheimnis“ ist prominent besetzt mit den Superstars Cécile de France und Patrick Bruel, mit „der Tochter“ Julie Depardieu und dem immer wieder begeisternden Mathieu Amalric („Schmetterling und Taucherglocke“). Die Musik schrieb der Komponist vom verstorbenen Polen Kieslowski, Zbigniew Preisner („Drei Farben: Blau“).