26.3.08

Jumper


USA 2008 (Jumper) Regie: Doug Liman mit Hayden Christensen, Samuel L. Jackson, Diane Lane, 96 Min.

Eine nette Idee: Man stellt sich einfach einen Ort irgendwo auf der Welt vor und schwupps „springt“ man in Bruchteilen von Sekunden hin. In Alan Rudolphs „Made in Heaven“ war dies eine nette Idee in einem wunderbaren Film. In dem sprunghaften Science Fiction „Jumper“ ist diese Idee fast alles. Nur noch ein paar Postkartenaufnahmen exotischer Plätze, ein kindisches Vergnügen am Picknick auf der Sphinx und etwas Handlung, der man mächtig auf die Sprünge hätte helfen sollen.

David (Hayden Christensen) entdeckt nicht nur, dass er durch den Raum springen kann, es gibt auch viele von seiner Sorte und dazu noch andere, die Seinesgleichen ausrotten wollen. Doug Liman („The Bourne Identity“, „Mr. and Mrs. Smith“) inszeniert den Langeweiler halbwegs routiniert, ebenso uninspiriert spielt Samuel L. Jackson. Hauptdarsteller Hayden Christensen muss aufpassen, dass er nicht als Anakin aus „Star Wars“ in ewige Vergessenheit gerät.

Daddy ohne Plan


USA 2007 (The Game Plan) Regie: Andy Fickman mit Dwayne "The Rock" Johnson, Madison Pettis, Kyra Sedgwick 110 Min. FSK: o.A.

Joe Kingman (Dwayne "The Rock" Johnson) ist die Nummer 1 auf dem Football-Feld und in seinem Luxus-Leben. "The King" verbraucht Frauen in Serie, wie ein ganzer Schrank voller Chanel-Geschenkpakete beweist. Doch nach der x-ten Siegesfeier haut ihn die Einsamkeit um - in Form klebriger Streicherklänge. Von nun an werden wir sie nicht mehr los - nicht die Einsamkeit, die ist für Kingman bald vorbei. Es bleiben die Streicher, die sich konstant in den Vordergrund drängen. Und auch Kingman wird nie mehr sein dümmliches Gehabe los. Das ist wohl so, wenn ein Muskel-Sportler schauspielern will: "Daddy ohne Plan" kopiert mit Ex-Wrestler Dwayne "The Rock" Johnson nicht nur das Konzept von "Kindergarten Cop", auch das viereckige Grinsen von Ex-Bodybuilder Arnold Schwarzenegger springt einem immer entgegen. Penetrant wie die Erwähnung von Johnsons Spitznamen "Rock" (Stein) alle fünf Minuten.

So ist es für die kleine Madison Pettis mit den großen Kulleraugen einfach, ihm in jeder Szene die Show zu stehlen. Sie steht als achtjährige Peyton alleine vor Kingmans Tür, der muss erkennen, dass er eine Tochter hat und sich auch noch einen Monat lang um diese kümmern.

Bis auf einige nette Ideen, wie eine mit Plissee-Rock und lackierten Krallen, bleibt der Film in seiner Formelhaftigkeit stecken. Selbst das klinische und funktionale Chaos, das Peyton im Luxus-Appartement veranstaltet, stammt garantiert von einem Drehbuchautor ohne Kinder. Vor allem "The Rock" zeigt sich unbeeindruckt von allen besseren Vorgaben des Drehbuchs. Seine Figur wird ihr Lachen wiederfinden und lernen, dass Egoismus nicht alles ist. Wir erfahren, dass „The Rock“ längst nicht mehr in der Form ist, den Frauenschwarm zu spielen, den der Film behauptet.

Schmetterling und Taucherglocke


Frankreich/USA 2007 (Le Scaphandre et le papillon) Regie: Julian Schnabel mit Mathieu Amalric, Emmanuelle Seigner, Marie-Josée Croze, Hiam Abbass, Max von Sydow 114 Min.

Mein linkes Auge

Nur einen Augenblick. Manche sagen, das Leben dauert genau so lange. Bei Jean-Dominique Bauby konnte man genau ausrechnen, wie viele Augenblicke sein Leben gedauert hat. Zumindest seine Autobiographie, die er nur mit dem Zucken eines Augenliedes diktierte. 200.000 Augenblicke formten die Worte, das Auswählen eines Wortes dauerte zwei Minuten! Das Drama dieses Lebens - umgesetzt in Julian Schnabels mutige und geniale Bilder - erschüttert wie selten ein Kinofilm.

Es beginnt mit einem Augenaufschlag. Nur verschwommen nimmt Jean-Dominique Bauby (Mathieu Amalric) sein Krankenzimmer wahr. Aufgeregte Schwestern, ernsthaft interessierte Ärzte. Bauby spricht zu ihnen, doch keiner reagiert. Die Panik in der Stimme wird schwer erträglich - keine Reaktion. Bis nach einer Weile ein zynisch ruhiger Spezialist auch den erstaunten Zuschauern alles erklärt: Nach einem Schlaganfall leidet Bauby am "Locked in syndrome". Sein Verstand funktioniert hervorragend, doch ist wie im schweren Tieftaucher-Anzug gefangen. Nichts dringt an die leblose Fassade seines willenlosen Körpers.

Ausgerechnet Bauby, der als Chefredakteur der Frauenzeitschrift "Elle" ein schönes Leben des Scheins genoss. Aussehen und Jugend waren dem 42-Jährigen alles, körperliche Lust ließ ihn Frau und Kinder für eine andere verlassen. Und jetzt hängt er hilflos mit einem bizarr verzerrten Gesicht schief im Rollstuhl. Die jüngere Freundin kann dies nicht ertragen, doch die Ehefrau kümmert sich um ihn.

Halt gibt ihm nur eine Therapeutin, die auch Selbstmordgedanken energisch vertreibt. Mit endloser Geduld wiederholt sie immer die gleiche Abfolge von Buchstaben: "E-S-A-R-N-T-U-L..." Das Zucken seines Augenliedes wählt einen Buchstaben aus, dann folgt wieder der Singsang von "E-S-A-R-N-T-U-L..." So werden quälend langsam aus einzelnen Buchstaben Worte und aus Worten Sätze. Irgendwann beginnt Bauby seine Biographie zu "diktieren" und so erfahren wir von der Verzweiflung im Innern der Taucherglocke. Nur über seine Träume und Erinnerungen entflieht er dem Körper-Käfig wie ein Schmetterling. Ein grausam süßer Ausweg - der einzige.

Der Maler und Regisseur Julian Schnabel ("Basquiat", "Lou Reed's Berlin") verfilmte die sehr erfolgreiche Autobiographie von Jean-Dominique Bauby aus Achtung vor dem Text in Französisch, das Drehbuch schrieb Ronald Harwood. Das Buch erschien am 6. März 1997 und verkaufte sich 150.000 Mal allein in der ersten Woche. Zwei Tage nach der Veröffentlichung starb Bauby. Von den ersten Momenten an lässt Schnabel die Bilder und Töne ganz stark am Gefühl Baubys mitarbeiten. Auch auf der Leinwand kann man anfangs wenig erkennen und verstehen. Wir bleiben irritiert wie der eingeschlossene Patient.

18.3.08

Juno


USA 2007 (Juno) Regie: Jason Reitman mit Ellen Page, Michael Cera, Jennifer Garner 96 Min. FSK: ab 6
 
Wie wunderbar und furchtbar, die Welt mit anderen Augen zu sehen und zu empfinden. Vielleicht eher furchtbar und anstrengend, wenn man selber drin steckt. Und ziemlich wunderbar, wenn man es im Kinosessel mit Abstand erleben darf. Das Sagenhafte an der der 16-jährigen Schülerin Juno ist ihr heiterer und auch mal sarkastischer Optimismus. Mitten im (Teenager-) Leben und ein neues Leben mitten im Bauch, meistert Juno die Klippen der Pubertät mit Klasse, Spaß und liebenswerter Weisheit.
 
Juno - sagenhaft keck und klug gespielt von der Kanadierin Ellen Page - weiß was sie will. Sex mit dem nicht besonders attraktiven oder coolen Paulie (Michael Cera aus "Superbad") zum Beispiel. Der Sessel, auf dem sie sich entjungfern lässt, hat fortan Reliquien-Status im Film. Ansonsten geriete die Sache schnell in Vergessenheit. Wenn da nicht schon in der ersten Szene einer der witzigsten Schwangerschaftstest der Filmgeschichte stattgefunden hätte. Und vor allem ein unverklemmter: Juno säuft einen ganzen Getränkeshop leer, kauft die Teststreifen im Zehnerpack, meckert und flucht wie ein Berserker.
 
Auch das rotzfreche Geständnis bei den Eltern ist ein Knaller: Junos Vater (toll: J.K. Simmons) und Stiefmutter (Allison Janney) reagieren einfach nur gut. Allerdings weiß noch keiner, dass Juno gerade ihre Morgenübelkeit in die dekorative Vase im Flur entsorgt hat. Herrlich komisch balanciert die kleine, zierliche Juno, die sich mit wachsendem Bauch in einen "wandelnden Wal" verwandelt, Peinlichkeiten und Pragmatismus.
 
Überraschend und völlig frei von Klischees denn auch der nächste Schritt: Juno will ihr ungeborenes Kind zur Adoption freigeben und schaut sich mal die möglichen Eltern im reichen Vorort an. Die Beziehung zwischen der perfekten Workaholic-Frau (toll angespannt: Jennifer "Alias" Garner) und dem frustrierten Künstlergatten eröffnet dem Film ein ganz neues Spielfeld, in dem Juno mit traumwandlerischer (Un-) Sicherheit für Dauerlachen, Mitfreuen, Nachdenken und sogar noch für Romantik sorgt. Die zeigt sich in Form eines Briefkastens voller orange-farbener Tic-Tacs. Wie sich solche Runnings-Gags um den Laufsportler Paulie ebenso wie tiefer gehende Themen schlüssig durch den Film ziehen, wirkt hier plötzlich selbstverständlich und ganz einfach. Stimmig auch die Farbdramaturgie, sowie die gar nicht wirklich niedlichen Folksongs.
 
Jason Reitman, Sohn des berühmten Komödienregisseurs und Produzenten Ivan Reitman ("Ghostbusters", "Kindergarten Cop"), realisierte diese Film-Sensation mit Herz, Witz und Verstand. Vor allem aber steht die Drehbuchautorin Diablo Cody hinter Juno. Ihren Oscar nahm die ehemalige Stripperin im schillernden Abendkleid entgegen, welches ihre Tattoos schön zur Schau stellte. Sie gehört offiziell zu den 50 intelligentesten Menschen Hollywoods und das versprüht auch jeder Satz Junos - wie der ganze Film ein Volltreffer.
 

Die Geheimnisse der Spiderwicks

USA 2007 (The Spiderwick Chronicles) Regie: Mark S. Waters mit Freddie Highmore, Mary-Louise Parker, Nick Nolte 97 Min. FSK: o.A.
Nach der Scheidung der Eltern ziehen Jared, Simon und Mallory mit der Mutter in das abgelegene Haus ihres Großonkels Arthur. Mit ihnen ziehen die alten Streitereien und Probleme, aber schnell lenken seltsame Ereignisse ab. Jared entdeckt ein altes Buch des Großonkels und lockt damit Kobolde und üble Kreaturen an. Bald müssen die Kinder das belagerte Haus gegen eine Armee von Kröten-Kreaturen verteidigen.
Gibt es eigentlich wirklich so viele Fantasy-Jugendbuch-Bestseller? Oder erfinden die Film-Produzenten schon mal den einen oder anderen hinzu? "Die Geheimnisse der Spiderwicks" wirken aus den Augen eines zynischen Kritiker-Gnoms durchaus wie das Rezept für einen Fantasy-Kinoerfolg. Aber die Erlebnisse der Familie Spiderwick haben auch feengleich schöne Momente und können mit einer netten Geschichte und fantastischen Geschöpfen durchaus für sich gewinnen.
Im Herzen der guten Effekte, die nur bei einem Flugwesen wirken, wie von "Harry Potter" ausgeliehen, steckt eine rührende Familiengeschichte von der Sehnsucht nach verschwundenen Vätern, von der Magie des Kindlich-Bleibens auch im hohen Alter.

17.3.08

Dan - Mitten im Leben!


USA 2007 (Dan In Real Life) Regie: Peter Hedges mit Steve Carell, Juliette Binoche, Dane Cook 99 Min. FSK: o.A.
 
Der Plan war, mit den drei Töchtern für die dringende Erholung zu Oma, Opa und all den Geschwistern, Schwipp- und sonstigen Schwägern nach Rhode Island zu fahren. Dan Burns (Steve Carell) ist alleinerziehender Witwer und das mit drei Mädchen. Der Kolumnen-Schreiber in Sachen Erziehung bräuchte "mitten im Leben" selbst einige Tipps im Umgang mit seinen "Frauen": Cara, hasst ihren Vater "für ewig", weil er sie von der einzigen und wichtigsten Liebe des Lebens trennte. Jane möchte endlich Autofahren dürfen, doch Dan traut es ihr nicht zu. Und Lilly, die Kleinste, wird überhaupt nicht ernst genommen.
 
Aber wie das mit den Plänen so ist - manchmal kommt es anders, als Dan meistens denkt. Alles wird Nebensache, als Dan auf Marie (Juliette Binoche) trifft: Schon das Kennenlernen im Buchladen, wo sie ihn für einen Angestellten hält, sammelt mächtig Sympathiepunkte für den Film. Nach einem dieser Gespräche, bei dem man sein Leben und sein Herz ausbreitet, kehrt Dan heim zu seiner wunderbaren, großen Familie, bei der man direkt einziehen möchte. Begeistert erzählt Dan von der romantischen Begegnung, bis ihm sein Bruder Mitch (Dane Cook) seine neue Freundin vorstellt: Marie!
 
Das Familienheim wandelt sich nun zur hellhörige Hölle für den verliebten Dan. Während die Verwandten Kreuzworträtsel und Verstecken über zwei Etagen und drei Generationen spielen, verstecken sich auch Dan und Annie - sie erzählen niemanden von ihrem Treffen. Dem Kolumnisten gehen plötzlich die Worte aus und er landet klassisch komödiantisch zusammen mit Marie unter der Dusche.
 
Als Romantische Komödie ohne all das Abgeschmackte, was sonst an diesem Konzept klebt, erweist sich "Dan - Mitten im Leben". Ein verregnetes Rhode Island zeigt keine glamouröse, aber eine passend sympathische Umgebung für die nette Familie mit Diane Wiest als Großmutter. Vom alten Mercedes bis zur Tonspur mit dem Gitarrenrock sorgfältig und liebevoll ausgestattet sowie sorgfältig ins Bild gesetzt. Verantwortlich dafür ist Ko-Autor und Regisseur Peter Hedges, der die Drehbücher für "Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa" und "About A Boy" schrieb. Schon sein Regiedebüt "Ein Tag mit April Burns" überzeugte 2003 mit sympathischen Figuren voller Leben.
 
Dazu überrascht Steve Carell ("Little Miss Sunshine") wieder mit einer guten Rolle, nachdem er im unsäglichen "Evan Allmächtig" die Arche Noah baute. Wie immer, wenn expressive Komödianten gebremst werden, spielen sie richtig gut. Juliette Binoche zeigt kaum Akzent dafür eine Menge tödlicher Eifersucht im Blick, als eine heiße Konkurrentin auftaucht.
 
Bei all dem freundlichen Vergnügen gibt es auch Erkenntnisgewinn: Man/Dan merkt, Pläne führen selten ans geplante Ziel. Der neue Plan: Sich überraschen lassen! Was mit diesem Film vortrefflich gelingt.

12.3.08

Walk Hard - Die Dewey Cox Story


USA 2007 (Walk Hard) Regie: Jake Kasdan mit John C. Reilly, Jenna Fischer, Tim Meadows 96 Min. FSK: ab 12

Lexikon der Film-Parodien, Teil 7174: Die Musiker-Biographie. Eine ganze Welle von Biographien berühmter Stars wie Johnny Cashs "Walk the Line" oder "Ray" (Charles) forderten geradezu eine Parodie heraus. Doch wer jetzt den üblichen Schrott erwartet, wird positiv überrascht.

Es ist wie bei so vielen Biographien von großen Popstars - nur etwas anders. Das obligatorische Trauma der Kindheit zum Beispiel: Dewey Cox schneidet seinen Bruder mit einer Machete mitten durch und sich selbst damit von der Liebe des Vaters ab. Schön und schon klassisch, wie ihn der lieblose Vater später immer wieder an die Schuld erinnert.

Und dann das Problem der Alterung, wenn die Popstars nicht wie in "Control" früh die Seiten ihrer Biographie schließen: Dewey Cox trifft jung die Frau seines Lebens, oder der ersten Hälfte seines Leben. Und Darlene muss immer betonen, wie jung sie ist. Weder die zwölf Jahre bei der Heirat noch die fünfzehn bei dem ersten Kind noch die über 50 Jahre beim späten Wiedersehen nimmt man der 34-jährigen Darstellerin Jenna Fischer ab. Und das ist auch so beabsichtigt, denn bei "Walk Hard" ist alles überzogen. Doch diese Parodie hat mit John C. Reilly einen Hauptdarsteller, der richtig spielen kann. Dazu ist die witzige Veralberung sorgfältig gefilmt - ganz im Gegensatz zu den Schrott-Parodien von anderen Schrott-Filmen.

"Walk Hard" spielt "Walk the Line" manchmal szenengenau nach. Buddy Holly und Elvis dürfen als Randfiguren nicht fehlen. Die Orgien, die Drogen sind anzüglich albern, die Lieder zweideutig in den Texten. Dazu gibt es etwas "Grace of my heart" mit Brian Wilsons "Pet Songs", die Dewey auch aufnimmt. In einer grandiosen Sequenz zieht Dewey sich in ein indisches Kloster zurück und erlebt die herrlich streitenden Beatles (mit Jack Black als McCartney). Das Ganze gerät nach Deweys erstem LSD-Trip zu einem Sgt. Pepper Cartoon und löst sich als gelungener Humor-Trip in Wohlgefallen auf. Vielleicht weil schon die Vorlagen nicht zum Bodensatz des Filmgeschäfts gehören.

Lars und die Frauen


USA 2007 (Lars and the real girl) Regie Craig Gillespie mit Ryan Gosling, Emily Mortimer, Paul Schneider, Kelli Garner 107 Min. FSK: o.A.

Ein Film, in dem eine aufblasbare Gummifrau eindeutig unzweideutig die Hauptrolle spielt - kann das gut gehen? Sehr gut sogar! "Lars und die Frauen" scheint anfangs infantil, aber nicht grob wie bei "American Pie", erzählt dann aber einfühlsam und rührend von schwierigen Berührungen...

Der Eigenbrötler Lars (Ryan Gosling) lebt in der Hütte hinter dem Haus seines Bruders Gus und seiner Schwägerin Karin. Die macht sich Sorgen um den seltsamen Mann, der mit 28 Jahren noch keine Freundin hatte und meist die Stola seiner früh verstorbenen Mutter um den Hals trägt. Eines Tages liefert die Post ein Packet und am Abend stellt Lars der Familie seine neue Freundin Bianca vor. Sie ist etwas schwach und muss deswegen im Rollstuhl sitzen. Doch was Gus und Karin wirklich schockiert: Bianca ist eine Sexpuppe. Zwar anständig angezogen, wie es sich für so einen Antrittsbesuch gehört, aber trotzdem eindeutig eine Gummipuppe aus dem Versandkatalog.

Die nahen Verwandten spielen nach anfänglichem Staunen das Spiel mit, gehen allerdings mit Bianca am Morgen zur Ärztin. Deren Rat an die kleine Dorfgemeinschaft lautet, Lars nicht seiner Illusion zu berauben. So fahren die Freunde bald im Rollstuhl mit Bianca herum und schließlich ist sie so integriert, dass sie sogar einen Job in einer Boutique bekommt - als Schaufenster-Puppe. Im Kindergarten liest sie - mit Hilfe des Kassettenrekorders - vor.

Das ist absurd, aber nie grob. Teilweise steckt der Humor in grandios ausgedachten Details, etwa dass Lars Bianca erklärt, die geschenkten Blumen seien aus Plastik, so würden sie für immer halten! Das ist fast schon poetisch, so selbstverständlich harmlos, rührend.

Über diesen kuriosen Einstieg, über zahllose, auf sympathische Weise witzige Szenen erhält der Zuschauer Zugang zu einer ernsthaften Geschichte um Angst vor Berührungen durch echte Menschen, schwierige Familienverhältnisse, die Schwangerschaft der Schwägerin Karin. Bei den wöchentlichen Arzt-Besuchen Biancas ergibt sich nebenbei eine psychologische Beratung für Lars. Aber es ist offensichtlich, dass alle irgendwie einen Spleen haben. Die Arbeitskollegen scharen beispielsweise Actionspiel-Figuren und Teddybären um sich. So auch die Arbeitskollegin Margo, die unübersehbar viel für Lars übrig hat.

Es gehört zu den Qualitäten des Films, dass auch diese Randfigur mit ihren Gefühlen, Sehnsüchten, Schmerzen sehr präsent ist. "Lars und die Frauen" schafft das Kunststückchen, einen um eine Gummipuppe trauern zu lassen. Es ist grandios inszeniert, wie das offene Geheimnis von Lars im Ort die Runde macht, mehrsprachig und in allen Lebenslagen .... -situationen. Im Religionskreis stellt sich ernsthaft die schwerwiegende Frage: Darf Bianca mit zur Kirche? Und vor allem: Was würde Jesus machen?

11.3.08

Love and Other Disasters


Frankreich/Großbritannien 2006 (Love and Other Disasters) Regie: Alek Keshishian mit Brittany Murphy, Matthew Rhys, Santiago Cabrera 90 Min. FSK: ab 6

Ausnahmsweise schwärmen wir mal von einer Schauspielerin: Die sehr süße Brittany Murphy-Show "Love and Other Disasters" gelang so unbeschwert und leicht, dass sie sich sogar reichlich Anleihen von "Frühstück bei Tiffany's" erlauben darf. Diese Brittany-Komödie packt locker die meisten Hollywood-Komödien in den Prada-Rucksack.

Emily Jackson (Brittany Murphy), die amerikanische Redakteurin der Londoner Vogue, hat ein Näschen für Mode und Männer. Meint sie jedenfalls. Es gibt schon adrette Zweifel, weshalb die hemmungslose Romantikerin mit ihrem schwulen Freund Peter (Matthew Rhys) zusammenlebt und rituell "Frühstück bei Tiffany" schaut. Sex hat sie mit dem Ex und vom Richtigen träumt sie nur. Paolo (Santiago Cabrera), der argentinische Assistent eines Fotografen könnte es sein, doch er ist definitiv schwul. Sieht Emily auf den ersten Blick. Schade, aber dann kann sie das Schnuckelchen Paolo ja mit Peter verkuppeln. So kommt es dazu, dass sowohl Emily als auch Peter einen wunderbaren Abend miteinander verbringen. Sie verpennt besoffen, dass er eigentlich mehr von ihr will. Und Peter merkt beim Abschiedskuss, dass da nichts unter Männern läuft, behält aber auf Bitten Pedros das Geheimnis für sich. So kann die komödiantische Verwirrung die emotionale Verirrung noch ein wenig mehr durcheinander bringen. Willkommen im Herzen der romantischen Beziehungskomödie.

Die Natürlichkeit, die Brittany Murphy nach einer eindrucksvollen Liste von Filmen immer noch auf die Leinwand zaubert, ist oberflächlich ihr großes Talent. Tatsächlich sie ein Profi, der schon mit 13 Jahren im Fernsehen zu sehen war. Dabei ist die Spannweite ihres Ausdrucks enorm: Von den koketten und niedlichen Posen in "Love and other Disasters" bis zum White Trash reichten ihre Rollen. Sie spielte "Durchgeknallt" und trieb es mit Eminem ziemlich wild in "8 Mile".

Irgendwie "un-hollywood" kommt dieses sympathische Liebes-Disaster daher. "Love and Other Disasters" verlässt sich ganz auf sein Leichtigkeit und den Charme seiner Hauptdarstellerin Brittany Murphy. Als frische und freche Kopie von Holly Golightly aus "Frühstück bei Tiffany's" gewinnt sie die Herzen, auch wenn es bis zum Dreifach-Finale dauert, bis das richtige dabei ist. Der Film spielt mit dem Song "Moonriver" und vielem anderen unübersehbar und -hörbar auf "Frühstück bei Tiffany" an und hat auch ansonsten eine schöne Musikauswahl. Damit alles nicht ganz kitschig wird, erwähnen Emily und Peter - von Beruf Drehbuchautor - zwischendurch immer mal, wie sehr die jeweilige Situation gerade nicht "wie im Film" ist. Das es trotzdem einer - und zwar ein guter - ist, macht den Reiz dieser sehenswerten Komödie aus.

5.3.08

Im Tal von Elah


USA 2007 (In the Valley of Elah) Regie: Paul Haggis mit Tommy Lee Jones, Charlize Theron, Susan Sarandon 122 Min. FSK: ab 12 Jahre
 
Ist diesem Patrioten denn gar nicht mehr zu helfen? Da scheint ein Schauspieler unter der ganzen Last einer moralisch zerfallenden Nation in sich selber zu versinken: Tommy Lee Jones hat am Ende des (letzte Woche angelaufenen) Endzeit-Westerns "No country for old men" den Kampf gegen das ultimative Böse und Brutale aufgegeben. In seiner eigenen Regie-Arbeit "Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada" reitet er meilenweit, um seinen ermordeten mexikanischen Freund gerecht gerächt unter die Erde zu bringen. Und als "Men in Black" war er doch auch eigentlich der Einzige, der bei den vielen coolen Sonnenbrillen den Durchblick bewahrte. Nun muss er als passionierter Patriot und schlechter Vater erkennen, dass die Werte seiner alten Welt auf den Kopf gestellt wurden.
 
Tommy Lee Jones spielt den Polizisten und ehemaligen Soldaten Hank Deerfield. Mit harter Hand erzog er seinen Sohn Mike, in die Fußstapfen der eigenen Soldatenstiefel zu treten. Der einst ängstliche Junge ging nach Bosnien, dann in den Irak. Was von dort zurück kam, findet Vater Deerfield zerstückelt und verbrannt auf einer Wiese neben der Straße. Wenige Tage nach der Heimkehr aus dem Irak wurde Mike brutal ermordet. Nun versucht der Polizist im Gefilde des Militärs die Mörder zu finden. Dabei entdeckt er zum einen, was für ein Monster sein Sohn wurde. Und er muss sich die Frage stellen, ob er ein guter Soldaten-Vater war. In der letzten Szene hisst der Patriot Hank die amerikanische Nationalflagge falsch herum, nachdem er anfangs einen ausländischen Hausmeister wegen dieses Fehlers maßregelte. Denn die umgekehrte Fahne bedeutet beim Militär: Eine Nation in Gefahr!
 
Die Verrohung amerikanischer Soldaten im Irak als Spiegelbild der US-Außenpolitik - zum exakt gleichen Thema lief beim letzten Festival von Venedig auch Brian de Palmas Schein-Doku "Redacted". Dort hat man gesehen, wie amerikanische Soldaten morden und vergewaltigen. Doch Regisseur Haggis, der mit "Crash" ein faszinierend differenziertes und einfühlsames Panorama amerikanischer Unnahbarkeiten zeichnete, erzählt "Im Tal von Elah" mehr. Der ohne viel Gewalt sehr packende Kriminalfilm verzeichnet nuancenreich die grausame Erkenntnis eines Vaters, jahrelang ein falsches Vorbild vorgelebt zu haben: Die Geschichte von David, der im Tal von Elah einst den Riesen Goliath besiegte, sollte dem Kind Mut machen. Um dessen Angst kümmerte sich der Vater aber nicht. Er muss sie viel später aus den Reste von Mikes Leben herauslesen. Tommy Lee Jones - inzwischen tatsächlich eine Art moralischer Instanz im amerikanischen Schauspiel - verkörpert in den vielfältigen Schattierungen seines nur vordergründig harten Gesichts dieses Drama auf fesselnde Art.