19.2.08

Sweeney Todd


USA 2007 (Sweeney Todd - The Demon Barber of Fleet Street) Regie: Tim Burton mit Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Alan Rickman 116 Min. FSK: ab 16
 
Noch nie wurde Blut so schön gezeichnet. So süß und bitter dieser Saft, so auch die Moritat des betrogenen und nach Rache dürstenden Barbiers von London – grandios gespielt von Johnny Depp. Das neuerliche Meisterwerk Tim Burtons („Nightmare before Christmas“) steigert die melodramatische Geschichte aus dem düsteren 19.Jahrhundert mit Gesang: Schaurig schön!
 
Bitter, dieser Blick auf London: Nach 15 Jahren unschuldiger Haft und Verbannung kehrt Sweeney Todd (Johnny Depp) zurück, um zu erfahren, dass sich sein große Liebe vergiftet hat und das gemeinsame Kind Johanna in den Händen des rechtlosen Richters Turpin (Alan Rickman) ist, der Todds Glück vernichtete. Zusammen mit seiner alten Vermieterin Mrs. Lovett schmiedet der Barbier Todd einen Racheplan, der gleichzeitig die Fleischpasteten der Köchin Lovett lieblich füllt. Doch nicht nur die Liebe eines naiven Jungen zu der gefangenen Johanna sorgt für Überraschungen...
 
Johnny Depp macht wieder den Frisör. Aber im Gegensatz zu „Edward mit den Scherenhänden“, dem ersten von mittlerweile sechs gemeinsamen Filmen mit Burton, erweitert diesmal nur ein Rasiermesser den menschlichen Arm. Nur? “Sweeney Todd” macht das Rasieren, Barbieren und Halsabschneiden zu einer Kunst und bringt diese gleich zu höchster Vollendung. Stilisiert in einer Geste des Körpers richtet sich alles auf die messerscharfe Rache aus. Aus den düsteren Bildern weist allein die helle Spiegelung der Klinge ins Licht.
 
Nur wer keine Gänsehaut bekommt, wenn in einer dieser klassischen Kinomomente das Rasiermesser gewetzt wird, bleibt vom Schauer der Szenen unberührt, in denen mehr als einmal das Leben auf Messers Schneide steht. Hinzu kommt jetzt noch Gesang! Duette zwischen Sweeney und seiner herrlich düsteren Vermieterin (Helena Bonham Carter als Gothic-Ikone) - ganz wunderbar, auch dies Gänsehaut-Material. Aber erst wenn der noch unwissende Richter Turpin unter der Klinge von Sweeney liegt und beide gemeinsam die Vorzüge schöner Frauen besingen, steigern sich Spannung, Schauspiel, Bild- und Tonkunst zu einem unvergleichliche Genuss.
Ein Horror-Musical vom Feinsten: Wie in einem besonders außergewöhnlichen Leben folgt ein Höhepunkt dem nächsten. Immer wieder schwillt ein Lied an, Lippen verschenken Leidenschaft, Schönheit zeigt sich in ihrer ganzen Pracht, die Gefühle explodieren sinnlich und laut. Tim Burton fand in dem Musical von Stephen Sondheim eine ideale Vorlage.
Bei Depp stimmt auch die Stimme, der Londoner Dialekt lässt ihn reizvoll wie den frühen, rauen Bowie klingen. Die Nebenrollen wurden äußerst exquisit besetzt: Rickman als eiskalter Richter, Timothy Spall als schleimiger Assistent Beadle und Sacha Baron „Borat“ Cohen als eitler Italiener Pirelli.
 
Welch ein weiter Weg von Musicals wie den „Regenschirmen von Cherbourg“, bei dem das Grauen  - etwa der Algerien-Krieg als Grund des Trennungsschmerzes - nur angedeutet bleibt. Hier spritzt das Blut wie die Springbrunnen in anderen Singspielen. Denn von Tim Burton darf man niemals nur Liebliches erwarten: Das Märchen um “Edward mit den Scherenhänden” zerriss ebenso den Schleier hässlicher ausgrenzender Bürgerlichkeit wie die Herzen. Der Stopp-Trick “Nightmare before Christmas” verband Horror mit Kitsch und versorgt die Gothic-Szene immer noch mit niedlichen Totenköpfen auf Taschen und Jacken. Seine “Corpse Bride” brachte als Brautgeschenk die schauerlich-schöne Romantik einer verwesenden Vermählten mit. Zwischendurch realisierte Burton noch zwei der besten “Batman”-Filme und attackierte mit “Mars Attacks!” das Zwerchfell ebenso wie den Science Fiction.