4.9.07

Welt-Verbesserer

Das Schöne am Roten Teppich von Venedig ist seine Länge: Mehr als hundert Meter paradieren die Stars parallel zu den Fans auf dem Weg in den Festivalpalast am Lido. Da kann die Treppe in Cannes nicht mithalten und Berlin schon gar nicht. Und die weiße Absperrung dient auf beiden Seiten als Graffiti-Wand: "George komm hier hin" steht dort mehrfach in Englisch, "Brad küss mich" und auch "Brad and Angelina - you made the world a better place" (Danke, dass ihr die Welt verbessert!).
 
Der aktuelle Weltverbesserer ist allerdings Richard Gere: In "The Hunting Party" (Die Jagdgesellschaft) spielt er den Kriegs-Journalisten Simon Hunt, der einen serbischen Kriegsverbrecher jagt. Es ist die alte Geschichte des zynischen Reporters, dessen harter Panzer schließlich doch durch eine persönliche Begegnung gebrochen wird. Nachdem seine schwangere bosnische Freundin bei einem Massaker der Serben vergewaltigt und umgebracht wurde, bricht Hunt vor laufender Kamera zusammen, verliert den Star-Job und sinkt in den folgenden Jahren immer tiefer. Doch nun ist er auf der Spur des meistgesuchten Kriegsverbrechers und einer großen Geschichte.
 
Eine große Geschichte ist der Film von Richard Shepard nicht, deshalb läuft er auch nur in der oft anspruchslosen Nachtschiene. Man sollte sich nur eines merken und deshalb machte Richard Gere wohl auch gerne mit: Drei orientierungslose Journalisten finden den Kriegsverbrecher, den NATO, UN-Truppen und Geheimdienste angeblich jahrelang suchen, innerhalb von zwei Tagen! Nicht erst, als die CIA in einer absurden Drehbuchfinte die Ergreifung des Massenmörders verhindert, merkt man, dass hier was nicht stimmt. Im Film und in der korrupten Realität.
 
Besser sieht Gere in der seltsamen Bob Dylan-Biografie "I'm not there" (Ich bin nicht dort) von Todd Haynes aus. Hier setzen sich Karriere und Persönlichkeit des Folk-Rock-Poeten aus mehreren Charakteren zusammen. Unter ihnen ist ein schwarzer Junge und Cate Blanchett, die eine drogenreiche Episode Dylans verkörpert und der Journaille klar machen will: Ich will mit meiner Musik NICHT die Welt verbessern! Der Regisseur der Glam-Rock-Geschichte "Velvet Goldmine" und von "Far from Heaven" erzählt kunstvoll wie originell, nur macht er es recht mühsam, ein Gesamtbild Dylans zusammen zu puzzlen.
 
In der Sektion "Giornati degli autori" (Autorentage) startete Andreas Kleinerts "Freischwimmer" mit einem touristischen Blick auf Monschau. Während Japaner und Afrikaner schöne Schieferfassaden bewundern, erstickt in der Schule der Schwimmstar Robert an einem Eclair, Liebesknochen genannt. Der schwerhörige, feinsinnige Rico nimmt den Tod kalt mit seiner Kamera auf. Da auch im Kollegium Spannungen herrschen, hat eine Kirchenfrau mit kriminalistischem Interesse viel herauszufinden. Wer am Ende was schuld ist, interessiert schon nach wenigen Minuten der sehr einfachen Geschichte mit schlecht gespielten, drehbuch-trockenen Figuren nicht mehr. Die von der Filmstiftung NRW geförderte WDR-Produktion ist auf einem Filmfestival dieser Größe völlig deplatziert.