26.8.07

Venedig 64, 75, 2007

Die "Mostra" feiert Jubiläum
  
Die "Mostra internazionale d'arte cinematografica", die älteste Dame unter den Filmfestivals, legt noch einmal etwas Farbe auf die brüchigen Gebäude am Lido Venedigs und feiert ihr 75-Jähriges: Vom 6. - 21.8.1932 fanden in Venedig die ersten Filmfestspiele überhaupt statt. Im Jahr 2007, diesem Jubiläums-Jahr der großen Festivals, übertrumpft diese 75 locker die 60. Ausgabe von Cannes und die 60 Jahre Locarnos. Kritiker der freundlich "mondän" genannten Festivalmeile auf dem "Lido di Venezia" meinen, das würde man auch der Substanz der Gebäude anmerken. Ein Evergreen der Mäkelnden, der angesichts des architektonisch hochmodernen Oktober-Festivals von Rom und dessen üppigen Etats mittlerweile zur handfesten Konkurrenz wurde.
 
Die "64. Mostra" (29.8.-8.9.2007) startet schon am Dienstag inoffiziell mit der Open Air-Vorstellung von "Gli uomini che mascalzoni..." (Regie: Mario Camerini, mit Vittorio De Sica), eines Films des ersten Festivals von 1932. Das ist dann auch fast alles, was die Lagunenstadt vom Festival sieht, denn der offizielle Rest findet auf der vorgelagerten Insel namens Lido statt.
 
Der "Venezia 64" genannte Wettbewerb um den Goldenen Löwen läuft von der Menge der Stars in diesem Jahr sogar Cannes den Rang ab: Keira Knightley eröffnet am Mittwochabend den Star-Reigen in der Romanverfilmung von "Abbitte", Ian McEwans Version von "Schuld und Sühne". Michael Caine und Jude Law stehen sich in dem britischen Kammerspiel-Remake "Sleuth" von Kenneth Branagh gegenüber. Brad Pitt, Casey Affleck und Sam Shepard duellieren sich im amerikanischen Western "The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford". Owen Wilson, Adrien Brody und Anjelica Huston sind die Highlights in Wes Andersons ("Die Royal Tenenbaums") mit Spannung erwarteten "The Darjeeling Limited". George Clooney, Tilda Swinton, Sydney Pollack sind bei der schmutzigen Justizgeschichte "Michael Clayton" von Tony Gilroy dabei. Dazu kommen noch der Cannes-Sieger von 2006 Ken Loach; Peter Greenaway, der Rembrandts Nachtwache in "Nightwatching" als Krimi wiederbelebt oder der Altmeister Eric Rohmer mit seinem Liebesmärchen "Les Amours d'Astrée et Céladon". Rohmer war beim ersten Festival von Venedig übrigens schon 12 Jahre alt!
       
22 Filme im Wettbewerb, nur 60 Langfilme im Hauptprogramm - die "Mostra " demonstriert auf dem von Touristen weitgehend verlassenen, spätsommerlichen Lido eine konsequente Konzentration auf ausgewählte Filme. Bei jedem der anderen großen Festivals wird mehr gerannt, gestresst, verpasst. Und zur Feier des 75-Jährigen wählte Festivaldirektor Marco Müller ausnahmslos Regisseure und Regisseurinnen in die Internationale Jury, die vom Chinesen Zhang Yimou ("House of the Flying Daggers") geleitet wird.
 
Die ersten der Goldenen Löwen stehen schon fest, die Ehrenpreise: Bernardo Bertolucci ("1900", "Der letzte Tango von Paris") erhält den Preis zum 75. Jubiläums des Festivals. Tim Burton ("Nightmare before Christmas") wird für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Ehren werden auch dem genialen deutschen Multitalent Alexander Kluge zuteil, der am 6.9.1932, exakt am gleichen Tag wie das Festival das Licht der Welt erblickte und diese seitdem faszinierend analytisch durchleuchtet: Kluge wird im Rahmen des Festivals fünf neue, thematisch gestaltete Programme am Lido präsentieren. Eröffnet wird die Reihe mit der Aufführung von Programm Nr. 1 "Mein Jahrhundert, mein Tier!".
 
Im Wettbewerb sind zwei deutsch-internationale Koproduktionen von Ken Loach ("It's a free world") und Peter Greenaway ("Nightwatching") vertreten. Der deutsch-schweizer Dokumentarfilm "Staub" von Hartmut Bitomsky wurde in die Nebensektion "Horizonte" eingeladen. Im Parallelprogramm "Venice Days" läuft "Freischwimmer" von Andreas Kleinert, der mit Förderung der Filmstiftung NRW u.a. in Köln und Monschau gedreht wurde. Auch Juliette Binoche stand in Köln vor der Kamera - nun ist "Disengagement", der aktuelle Film des israelischen Regisseurs Amos Gitai in Venedig als einer von vier "NRW-Förderungen" zu sehen.
 
Auf den ersten Blick wirkt die deutsche Präsenz im Vergleich zu 1932 nicht überwältigend. Erstaunlich zumal, dass man sich nach 75 Jahren noch an alle drei Titel erinnert: "Der Kongreß tanzt", Leni Riefenstahls Regiedebüt "Das blaue Licht" und das Lesbendrama "Mädchen in Uniform". Diese Nachhaltigkeit wünscht man auch möglichst vielen Filmen von "Venezia 64".