29.5.07

Golden Door


Italien/Frankreich 2006 (Nuovomondo) Regie: Emanuele Crialese mit Charlotte Gainsbourg, Vincenzo Amato, Aurora Quattrocchi 118 Min. FSK: ab 6

Archaische Geschichten, raue Sitten in steiniger Landschaft, grandiose Gesichter - so sieht man Sizilien im "Chaos" der Tavianis oder im "Cinema Paradiso" von Giuseppe Tornatore und weiß, es ist nur aus der Ferne schön. Zwischen 1870 und dem Ersten Weltkrieg wanderten 5 Millionen Süditaliener, meist Bauern und Landbevölkerung, nach Amerika aus und dezimierten damit ihre Heimat um mehr als in Drittel der Menschen. Dem Weg von Sizilien nach New York folgt Regisseur Emanuele Crialese, der selbst von der dortigen Filmschule in seine italienische Heimat zurückkehrte.

Salvatore Mancuso (Vincenzo Amato) verkauft sein Vieh für ein paar Klamotten und wandert mit seiner Mutter sowie mit seinen zwei Söhnen aus. Wobei das Wandern durchaus wörtlich genommen werden kann, man spürt und riecht über die erdigen Farben den Boden Siziliens, dem so schwer etwas abzugewinnen ist. Doch "Golden Door" ist kein klassisches Auswanderer-Drama, ist erdig und poetisch zugleich.

Die geheimnisvolle Engländerin Lucy (Charlotte Gainsbourg) besteigt ebenfalls das Schiff. Eine blasse, noble Gestalt unter all den sonnengegerbten Erdmenschen. Im Tangorhythmus streifen sie und die Mancusos bei den seltenen Freigängen an Deck umeinander. In einem der vielen surrealen und magischen Momente tauchen Salvatore und Lucy wie neugeboren aus einem milchigen Meer, paddeln den Träumen der Neuen Welt hinterher - in Form einer Möhre groß wie ein Kanu.

Crialese sieht die Überquerung des Ozeans als Metamorphose auf Hoher See, bei der die Mancusos sich von Land- in Stadtmenschen verwandeln. Es folgen die menschenunwürdigen Untersuchungen und Tests am Immigranten-Portal Ellis Island. Die Enttäuschungen bei den arrangierten Hochzeiten, den Frauenschauen, die verzweifelte Not ausnutzen. Und die Frage, wer darf rein in die USA und wer wird deportiert: Der dumm wirkende Sohn? Die immer störrische Mutter?

"Golden Door" mit dem in der Originalversion satten, saftigen Dialekt, der sogar italienisch untertitelt werden musste, ist erst der dritte Film des 1965 in Rom geborenen Crialese. Mit seinem Debüt "Once we were Strangers" war er nach seinem Filmstudio in New York 1998 im Wettbewerb von Sundance. Dann kehrte er in seine Heimat Italien zurück, drehte "Lampedusa" (Respiro, 2002), in dem er sich mit seinen italienischen Wurzeln auseinandersetzt. Das poetische Meisterwerk erhielt 2002 den Großen Preis der Semaine de la Critique sowie den Preis der Jungen Filmkritik in Cannes.

Die Reise in die Neue Welt - "Nuovomondo" heißt der Originaltitel - beeindruckt mit grandiosen, starken Bildern. Von den Berglandschaften Siziliens bis zur Skyline New Yorks, die völlig verwirrt: Wie bekommt man die Tiere bloß in die 20.Etage? Und immer wieder ganz einzigartige und eindringliche Szenen: Eine Menschenmenge teilt sich reglos, das Schiff legt ab, die da unten bleiben hier, das große Wasser fließt zwischen sie. Dann Fotos mit riesigen Hühnern, Zwiebeln und Geldstücken, die einfache Bauern und Bergbewohner nach Amerika locken. Und die geniale Schlussszene - statt einer Auflösung noch mal die milchige See der Wiedergeburt mit all den ziellos treibenden Armen, Bedürftigen. Nina Simon singt "Sinner Man". Die Filmgeschichte hat eine Perle mehr.