29.1.07

Nach der Hochzeit


Dänemark, Schweden 2006 (Efter bryllupet) Regie: Susanne Bier mit Mads Mikkelsen, Rolf Lassgård, Sidse Babett Knudsen 125 Min. FSK: ab 12
 
Die blutige Träne machte ihn als Bondgegner weltberühmt: Nun zerdrückt der dänische Star Mads Mikkelsen ein paar Tränchen mehr und beeindruckt stark in dem packenden Familien- und Psychodrama von Susanne Bier.
 
Zwei Welten: Hier das Waisenhaus in Indien, in dem sich Jacob Petersen (Mads Mikkelsen) still, aber mit großem Herzen um die Straßenkinder kümmert. Als das Haus von der Schließung bedroht ist, soll Jacob zurück nach Dänemark, sein tief empfundener Widerstand hilft nicht.
 
Mikkelsen zeigt sich direkt als exzellenter Schauspieler, die Angst vor der luxuriösen Welt des Westens wirkt in seinem Gesicht noch eindringlicher als im verwirrenden Luxus des Hotels. Hier schwenkt dann die Handkamera - Copyright: dänisches Dogma - besonders schwindelerregend herum. Jacob hat ein Treffen mit dem reichen Mäzen Jorgen (Rolf Lassgård). Der hält ihn abgelenkt hin, bricht das Gespräch ab, lädt den irritierten Bittsteller aber zur Hochzeit seiner Tochter am Wochenende ein. Wieder willigt Jacob widerwillig ein. Dann überschlagen sich die Ereignisse.
 
Schnell wird klar, dass der Brautvater Jorgen hier etwas einfädelt. "Eine Prüfung" sagte er anfangs. Der extrem reiche Mann spielt mit seinen Mitmenschen. Weil er auch bei den Gefühlen berechenbare Sicherheit will? "Nur können wir nicht alles bestimmen in dieser Welt ..." Aber wir versuchen es doch, das Schicksal. Allerdings verdient selbst Jorgen die Gnade einer späteren Enthüllung.
 
Doch zuerst muss Jacob entdecken, dass da vor seinen Augen seine leibliche Tochter heiratet, von deren Existenz er nichts wusste. Jorgens Frau ist die Helene (Sidse Babett Knudsen), die den damals untreuen und saufenden Jacob in Indien zurückließ. Ein großer Moment für einen kleinen Tropfen, der gleich einige emotionale Fässer überlaufen lässt: Die Träne Jacobs in Nahaufnahme bei der Erkenntnis der Vaterschaft brennt sich stärker ein, als die blutige Varianten im "Casino Royale". Immer wieder gibt es "Nach der Hochzeit" Augen und Tränen ganz groß im Bild. Es gilt, eine ganze Menge Verschwiegenes runter zu spülen. So wie auch "Das Fest" enthüllte, deckt Susanne Bier (""Open Hearts", "Brothers") auf, was unter der oberflächlichen, satten Zufriedenheit verborgen liegt.
 
Wobei dies mit Sympathie und Verständnis für die realistischen Figuren, mit gespannter Aufmerksamkeit geschieht. Die Verlegenheit des ersten Gesprächs von Vater und Tochter etwa - rührend, herzergreifend ohne jeden Kitsch. Darin liegt gerade die Stärke von Susanne Bier, zeitlos und universell starke Geschichten mit neuen Mitteln zu erzählen. Vor allem das Spiel von Nah- und Detailaufnahmen erzeugt eine hochspannende Intimität mit den Figuren. Die unkonventionelle, von klassischen Regeln befreite Kamera-Führung mit dem kreativ sprunghaften Schnitt zeichnet die Welle exzellenter dänischer Filme aus, die nun schon mehr als einem Jahrzehnt die Gefühle von Arthouse-Fans mitreißt.