22.11.06

"On the Road" mit Wim Wenders und Walter Salles

Straßen-Künstler
 
Was bringt Wim Wenders und den brasilianischen Regisseur Walter Salles zusammen auf die Straße nach Thessaloniki? Das Road-Movie selbstverständlich! Es ist so offensichtlich, man sieht die Straßen vor lauter Fahrten nicht: Wie Wenders fast immer und am liebsten, drehte auch Salles mit "Central Station" und "Die Reise des jungen Che" Road-Movies. Das 47. Internationale Filmfestival von Thessaloniki (17.-26.11.2006) ehrte Wenders und das brasilianische Kino, ließ aber vor allem die beiden Straßen-Künstler in einer "Masterclass" zusammen Asphalt-Cowboys spielen.
 
Ein Festival in Griechenland ist dazu gar nicht ungeeignet: Hier fing alles an, hier wurde Odysseus der erste Held eines Road-Movie. Der Urahn all der, die eigentlich nicht ankommen wollen. Homer sang diese Geschichte - "blind wie Ray Charles", wirft Salles ergänzend ein. Leider seien keine Plattenaufnahmen mehr erhalten. Und stieg nicht Travis - was nicht zufällig nach "travel", Reisen, klingt - in "Paris, Texas" im Marathon-Motel ab? Die alten Griechen hatten es schon früh drauf. Bis zu den alten Griechen von heute, weshalb Wenders auch glaubhaft gerührt war, als ihm Theo der Große, mit bürgerlichem Namen Angelopoulos, einen Alexander fürs Lebenswerk überreichte. Man vermutet es nicht, wenn der kleine, fast kahle Grieche im konservativen Anzug neben der langen, jugend-imitierenden Mähne des großen Deutschen im bemüht modischen Jackett steht: "Der amerikanische Freund" und "The Hunters" des späten Quereinsteigers Angelopoulos reüssierten zur gleichen Zeit.
 
Doch zurück zum brasilianischen Freund Salles. Sie verstehen sich gut. Sie schätzen einander sehr. Wenders hat "Die Reise des jungen Che" einige Male gesehen. Salles beschloss Filmemacher zu werden, als er "Im Laufe der Zeit" entdeckte. Und so kramte Wenders aus diesem Frühwerk (schwarz-weiß und Benzinpreise mit Null vor dem Komma) das Seitenwagen-Gespann Vogler/Zischler hervor, ließ sie noch mal von der Elbe an den Rhein knattern, um Salles' zweirädrigen Che-Trip durch Lateinamerika Referenz zu erweisen.
 
Wim und Walter teilen eine Begeisterung für den Asphalt, die Arbeit mit kleinem Team und die Handkamera. Ohne zu wissen, wo der Film hin will, denn "the road is the script"! Kein Script, nur eine Richtung. Und sie schwärmen von den ungeplanten Begegnungen, von den "Hindernissen, die man als Geschenk an den Film annehmen muss" (Wenders). So sah das vielfach abgelehnte Script für "Che" eigentlich "Patagonien, Sommer" vor. Bei der Ankunft schneite es. Worauf das Team eine geniale Rutschpartie aufnahm.
 
 
Salles macht "On the road", Wenders rüber nach Deutschland
 
Bei Salles spiegelt die Reise des Protagonisten auch immer den Zustand des bereisten Landes wieder. Die Krise des Che ist die Krise seines Kontinents. Wenders fuhr "Im Laufe der Zeit" die deutsch-deutsche Narbe Elbe ab, dann setzte er nach Amerika über.
Beide bleiben auch in Zukunft auf der Straße, die ihre Welt bedeutet, die Kamera beweglich auf den Horizont ausgerichtet. Salles wird nach langer Überlegung nun tatsächlich das ultimative Buch zum Road-Movie verfilmen: "On the road" von Beatnic Jack Kerouac. Zur Entscheidungshilfe und als Vorbereitung drehte er eine Doku, in der auch Wenders zu Wort kommt. Schon zehn Minuten daraus machen klar, Kerouacs Zeit mit Eisenhower und McCarthy ist dem aktuellen Terror-Staat USA erstaunlich ähnlich. Und Wenders will nach 10 Jahren USA wieder "ein paar deutsche Straßen sehen", um wieder mit Deutschland Kontakt aufzunehmen. Gab es da nicht mal einen Phillip Winter, der mit vielen Bildern im Gepäck aus den USA zurückkam? Der hier aufhörte, Polaroids zu schießen und wieder sehen lernte? Das hieß 1973 "Alice in den Städten", ist aber wieder der Anfang einer anderen Reise.