30.10.06

Marie Antoinette


USA 2006 (Marie Antoinette) Regie: Sofia Coppola mit Kirsten Dunst, Jason Schwartzman, Rip Torn 123 Min. FSK: o.A.
 
Lost in Tradition!
 
Ein rosarotes Mädchen-Märchen über „Marie Antoinette" von Francis Ford Coppola-Tochter Sophia. Nach „Lost in Translation" ging die mittlerweile als Regisseurin anerkannte Sophia Coppola nach Frankreich und will den Söhnen und Töchtern der Barrikaden-Kämpferin Marianne erzählen, die verhasste und bei der Französischen Revolution geköpfte Marie Antoinette sei gar nicht ihre verprassende, abgehobene Königin gewesen. Sondern ein einsamer Teenager in unfreundlicher Umgebung, der doch noch entdeckt, wie er Spaß haben kann. Wie in ihrem Erstling „Virgin Suicide" kreiert die junge Filmemacherin vor allem eine Atmosphäre, ein Schweben in luxuriöser Einsamkeit; alberne Rituale der Morgentoilette vor blaublütigem Publikum, absurder Repräsentationszwang und rockige Ausbrüche daraus.
 
Die junge österreichische Prinzessin Marie Antoinette (Kirsten Dunst) wird als fröhlicher Teenager von ihrer Mutter, der Kaiserin Maria Theresia, aus politischen Gründen mit dem französischen Thronfolger Louis XVI verheiratet. Wie dramatisch die folgenden Jahre sein werden, spürt man in einer frühen, ganz schlimmen Szene: Beim Grenzübertritt nach Frankreich wird Marie Antoinette völlig neu eingekleidet und muss ihren Schoßhund zurücklassen! Wie unmenschlich!
 
Die Regeln des Hofes von Versailles machen ihr bald ebenso zu schaffen, wie ein völlig desinteressierter Gatte, der ihr doch eigentlich ein paar Thronerben zeugen sollte. Heimweh und die garstige Kälte der Hofgesellschaft lassen das Mädchen ganz traurig in all die Spiegel des Palastes schauen. Da bleibt nur ein Ausweg: Schwelgen in Luxus und unzähligen schicken Schuhen dient dem Frustabbau, das wissen Brigitte, Imelda Marcos und jedes weibliche Kind. Dass draußen die Menschen verhungerten, weiß man in diesem Film nicht unbedingt. Ob das eher jugendlich anvisierte Publikum - siehe popiger Soundtrack - die berühmt schnippische Antwort Antoinettes im Stile von Harald Schmidt kennt, ist fraglich: Auf den Hinweis an die exzessiv den Staatsetat strapazierende Königin, ihr Volk hätte kein Brot, sagte sie angeblich: "Dann sollen sie doch Kuchen essen!" Aber auch die Hinrichtung Marie Antoinettes wurde ausgeblendet - wir wollen doch keine Flecken im flotten, bunten Barbie-Puppenhaus.
 
Wenn Historienfilme prinzipiell immer eine Lüge sein müssen, weil wir zu wenig von der Historie wissen und der Stoff vor allem von heute erzählt - weshalb regen sich so viele angesichts dieser "Marie Antoinette" auf? Wegen der extremen Modernisierung in der Figur? Das machte auch Baz Luhrmann mit "William Shakespeares Romeo und Julia" und mit "Moulin Rouge". Ohne so viel Gegenwind. Oder weil Festlegungen auf Gut und Böse auf den Kopf gestellt werden?