11.7.06

Lemming


Frankreich 2005 (Lemming) Regie und Buch: Dominik Moll mit Charlotte Rampling, Charlotte Gainsbourg, André Dussolier, Laurent Lucas, Michel Cassagne 129 Min.
 
Schön, wie so ein kleiner Nager allzu glatte Lebensentwürfe zur Achterbahn werden lässt. Der Franzose Dominique Moll, der schon mit "Harry" vor einigen Jahren zeigte, dass der gute Familienvater sich letztendlich mit Gewalt gegen äußere Bedrohungen wehren muss, konfrontiert nun in ein harmloses, fast langweiliges junges Paar mit skurrilen bis mysteriösen Entwicklungen.
 
Der junge Ingenieur Alain Getty (Laurent Lucas) erwartet mit seiner Frau Benedicte (Charlotte Gainsbourg) in der kleinen Modelwohnung einer Vorstadt im Süden eigentlich nur den Chef Pollock (André Dussollier) samt Gattin Alice (Charlotte Rampling) zum Abendessen. Doch Alice gebärdet sich extrem exzentrisch, kippt dem herumhurenden Ehemann Wein ins Gesicht. Der Abend ist schnell gelaufen, doch am nächsten Tag versucht Alice Alain zu verführen, taucht darauf bei Benedicte auf und schießt sich eine Kugel in den Kopf. So weit, so seltsam. Nun jedoch wird die Musik gespenstig, Benedicte spricht und gebärdet sich wie Alice. Die vorher sehr ruhige, beherrschte Frau schreit nun impulsiv herum, flucht und geht fremd.
 
Ach ja: Alles fing mit einen Lemming an, der sich im Abfluss der Gettys verirrt hatte! Der skandinavische Nager irritiert im französischen Vorort und erweist sich als Vorbote einer aus den Fugen geratenden Beziehung.
 
Die Mischung von Gesellschaftskomödie und Horror-Ansätzen im japanischen Stile von „The Ring" ist an sich ganz reizvoll. Im Gegensatz zu "Harry" gelingt es Dominique Moll jedoch nicht, seine schon im Genremix divergente Geschichte zusammenhängend und ohne Hänger zu erzählen. Es bleibt die hervorragende Besetzung, vor allem durch das "doppelte Charlottchen", die reife Rampling und die nicht mehr ganz so junge Gainsbourg: Rampling als gequälte oder quälende Gattin mit erschreckend dunklen, bitteren Augen. Und "die Gainbourg" mal harmlos niedlich, mal dämonisch mit dem Geist der Alice, der aus den Augen blitzt. Selbst wenn "Lemming", Eröffnungsfilm der Filmfestspiele von Cannes 2005, kein Höhepunkt des französischen Kinos ist, reizt er mit vielen Qualitäten und einer wahrlich ungewöhnlichen Geschichte.