19.5.06

Cannes: Pedro Almodovar verlacht Tod und Tränen

Volver

 

Cannes. Pedro Almodovar kehrt zurück - in die vom Winde verwehte Region seiner Kindheit. Und mit "Volver" in den Wettbewerb von Cannes, wo er noch Rechnung offen hat: Er bringt nicht nur Frauen an den Rand des Tränenausbruchs, „Volver“ macht Spaß, ganz tief im Herzen.

 

"Alles über meine Mutter" war im Wettbewerb 1999 der eindeutige Favorit, alle waren sich einig - nur die Jury nicht. Die wählte Gus van Sants "Elephant" zum Besten Film, gab dem wohl zweitbesten Film die Goldene Palme. Nun die Rückkehr Almodovars - Volver heißt im Spanischen "zurückkehren". Und wieder dreht sich "Alles um (s)eine Mutter": Vom Begräbnis ihrer Tante in der windzerzausten Ebene La Mancha bringt Sole im Kofferraum des Autos den Geist der eigenen Mutter Irene (Carmen Maura) mit. Diese hilft fortan im illegalen Friseurladen mit und wird als Russin ausgegeben. Denn anders als im La Mancha-Dorf glaubt man in Madrid nicht an Geister. Das tut auch Soles Schwester Raimunda (Penelope Cruz) nicht, obwohl Irene gerade mit ihr noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Allerdings hat Raimunda für diese Dinge gar keine Zeit, weil Tochter Paula gerade ihren Stiefvater erstach, der sie vergewaltigen wollte und jetzt in der Tiefkühltruhe schlummert.

 

„Volver“ ist eine Komödie, in der Almodovar nach eigener Aussage erstmals ernst wurde. Denn es geht auch um den Tod, der Almodovar "in den letzten Jahren das Leben zerstört hat". Der spanische Meister schafft es, mit unfassbarer Leichtigkeit zu erzählen - von einem ganz schweren Thema. Und er zeigt eine tief berührende Menschlichkeit in seinen Figuren und seiner Sicht auf die Menschen. In diesem windgepeitschten Dorf mit der höchsten "Verrücktheits-Rate" ganz Spaniens. Mit den abergläubigen Menschen, die wie verrückt und wie Sisyphus die Grabsteine entstauben und polieren, war es als sensibler, kreativer Schwuler sicher alles andere als einfach, groß zu werden. Doch Almodovar widmet diesen katholischen Dörflerinnen nur liebevollen Humor. Männer sind hier wie auch in Madrid völlig überflüssig, „frau“ kommt besser zurecht, wenn sie erst entsorgt sind. Die Frauen schweigen zur sexuellen Gewalt, zu den Verbrechen, sie lösen es ganz pragmatisch „unter sich“.

 

Mit „Volver“ kehrt Almodovar zurück in die Region La Mancha, zu "seinem Dorf", zu seinen Menschen. Das Lied aus Operette "La rosa del azafran" zu Anfang des Films sang seine Mutter mit anderen Frauen beim Wäschewaschen am Fluss seiner Kindheit. Der Fluss kehrt wieder als Metapher für das Verfließen der Zeit.

 

Der Madrilene kehrt auch zurück zu seinen Schauspielerinnen Penelope Cruz („Live Flesh“, „Alles über meine Mutter“) und Carmen Maura ("Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs"). Wieder dreht sich alles um die Frauen, nur nicht so überdreht wie damals - der Mann wird auch nicht jünger. Aber menschlicher: Almodovar ist eindeutig nicht gläubig, aber glaubt an das Leben und die Menschen, und die glauben.

 

Ob „Volver“ mit Leichtigkeit überzeugen kann, wird die Zeit zeigen. Vielleicht muss Almodovar die gleiche Tragik erleben wie, Jury-Präsident Wong Kar-Wai, der mit seinem besten Film „In the mood of love“ zum falschen Zeitpunkt in Cannes war. Aber das würde der Drama-Queen Almodovar auch ganz gut gefallen.