17.5.06

Cannes: Eröffnung "Da Vinci Code"

Rätselhafte Zeitverschiebung in Cannes

Eröffnungsfilm "Da Vinci Code" bricht Grenzen des Festivals

Cannes. Es waren noch 24 Stunden bis sich für die 59.Filmfestspiele Cannes (17. - 28.Mai 2006) der Vorhang heben würde. Die schöne anglo-französische Starmischung von Tom Hanks und Audrey Tautou musste noch eingeflogen werden. Doch schon war das Kino überfüllt, mussten einige Zuschauer draußen bleiben. Grund für den aufgeregten Ansturm bei dieser verfrühten Pressevorführung war allerdings nicht die besondere Qualität eines Films, sondern die dreiste Marketing-Strategie seines Produzenten. Weltweit startet der "Da Vince Code" nach Dan Browns Bestseller (dt. Titel: Sakrileg) am heutigen Donnerstag. Weltweit bekam ihn die Presse erst gestern zu sehen. Die Weltpremiere für die Öffentlichkeit erfolgte - dies ein genialer Marketingzug - als Eröffnung der Filmfestspiele von Cannes. Alles was vorher in Monats-, Wochen- oder sonstigen Zeitungen stand, war Werbemitteilung oder der Eindruck eines 35-minütigen, chaotisch geschnittenen Trailers. Und so kamen sie aus den Restaurants, Bars und Hotels, die Filmkritiker aller Welt, um als erste "Da Vinci" zu sehen. In den Jahren zuvor nutzten die unaufgeregten Genießer unter ihnen den Dienstag vor Cannes zum Ankommen. Sie sahen sich höchstens gemütlich die Boule-Spieler des Küstendorfes an. Jetzt mussten sie direkt ran, kamen mit guter Stimmung und ließen sich von der uninspirierten Bestseller-Pflichtverfilmung nicht die Vorfreude auf GUTE Filme vermiesen. Denn der "Da Vinci Code" bietet ja so viele Steilvorlagen: Der einzige Lacher, als Ian McKellen meint: "Trau den Franzosen nicht!" Dachte er an die Wachleute in Cannes, die freundlich entschlossen so tun, als wollen sie mit ihren Metalldetektoren unbedingt eine iranische Atombombe in den Hand- und Aktentaschen finden? Oder das wilde Interpretieren des "Symbologen" Tom Hanks der schließlich entdeckt, dass Audrey Tautou entfernt mit Jesus verwandt ist - erinnert das nicht an die schwere Deutungsarbeit mit den Filmen der nächsten Tage? Nur dabei wird ein so eindeutiges Ergebnis ausbleiben. Und die geradezu vom Pfingstgeist erfüllte drei-sprachige Verständigung zwischen Franzosen, Amerikanern und Lateinern (Opus Dei). Im Gegensatz zum verzweifelten Versuch, mit mittelprächtigem Französisch in Cannes irgendwas zu wollen. Doch etwas bleibt von diesem Film in Erinnerung (wie hieß er noch?): Nie zuvor begann ein Festival mit 24-stündiger Verfrühung. Es kann einige richtige Festivaltage dauern, bis man das Kino wieder so gefüllt sehen wird.