25.4.06

Das geheime Leben der Worte


Spanien 2005 (The Secret Life of Words) Regie: Isabel Coixet mit Sarah Polley, Tim Robbins, Sverre Anker Ousdal 115 Min. FSK: ab 6
 
Selten, zu selten schenkt uns das Kino solch ein emotionales Erdbeben: Still, leise anrührend und dann gewaltig erschütternd. Nach Isabel Coixets "Mein Leben ohne mich" spielt Sarah Polley auch in dem neuen Meisterwerk der Spanierin die Hauptrolle. Erinnerungen, Narben auf der Haut und der Seele, ein Film der tief unter die Haut geht.
 
Hanna (Sarah Polley) arbeitet seit vier Jahren mit äußerster Perfektion und einem Sterilitätsfimmel in der Fabrik. Das ist den Mitarbeitern derart suspekt, dass die stille, junge Frau in Urlaub geschickt wird. Eine Vorstellung, die bei ihr fast Panik auslöst. Zum Glück trifft sie im Restaurant jemanden, der eine Krankschwester sucht. Auf einer Bohrinsel vor der Küste gab es eine Explosion und Josef (Tim Robbins) liegt mit Verbrennungen sowie Verletzungen der Netzhaut transportunfähig im Bett.
 
Trotz der Schmerzen begegnet der Verletzte seiner Pflegerin mit viel Humor. Ob sie denn blond sei, will er mit einer originellen und charmanten Anzüglichkeit wissen. Hanna hingegen wechselt verlässlich Verbände und wäscht ihn, antwortet aber nicht auf persönliche Fragen des vorübergehend Erblindeten. Der kräftige Mann mit Tätowierungen und Ohrring geben ist selbst in dieser erbärmlichen Situation ein sehr komischer Typ.
 
Sein Heilungsprozess wird ein freundschaftlicher Handel um Informationen: Josef erzählt grandios Geschichten und Hanna gibt dafür minimale Brocken ihrer Geschichte preis. Die Situation entspannt sich. Schmerzhaft wiederum, weil ihm auch das Lachen weh tut. Zeit für Hanna, die anderen seltsamen Bewohner der Stahlplattform im Meer kennen zu lernen, den äußerst kreativen Koch, den melancholischen Meeresforscher. Eine Sammlung von Menschen, die alleine gelassen werden wollen. Und Zeit, in Josefs Kabine dessen Drama zu entdecken. Alte Nachrichten auf einem Handy erzählen von einer falschen Liebe...
 
Vom Vorspann, der die Namen in bedeutungsvolle Worte übergehen lässt, über die besonders guten Songs, literarische Verweise und die Poesie der Handkamera-Bilder ist "Das geheime Leben der Worte" ein dichtes, reiches Meisterwerk. Wobei allein das sagenhafte Schauspiel von Sarah Polley und Tim Robbins es sehenswert macht. Erst ein einfühlsamer, später ein wichtiger Film und dann noch ein großartiger Liebesfilm, der Hoffnung überleben lässt.
 
Doch das Bemerkenswerte am "Geheimen Leben der Worte" ist die schockierende Gewalt der Tragik, die im letzten Drittel losbricht. Bis dahin ein wunderbarer Film über zwei verletzte Menschen, die sich vorsichtig einander anvertrauen, wird es ein grausamer Aufschrei zu der Brutalität von Krieg und Soldatentum. Das Wissen um die Tiefe von Hannas Narben hebt die "Worte" vom berührenden Meisterwerk zur erschütternden Anklage unserer Zeiten.