15.3.06

V wie Vendetta


GB, BRD 2006 (V for Vendetta) Regie: James McTeigue mit Natalie Portman, Hugo Weaving, Stephen Rea 132 Min. FSK: ab 16
 
Die Welt ist aus den Fugen im Jahr 2020. In den ehemaligen USA herrscht Chaos, in Großbritannien ein Medien-Faschismus. Über die staatlichen Sender hetzt man gegen alles ethnisch, religiös oder sexuell Fremde. Der Koran ist ebenso verboten wie Literatur, Kunst oder Popmusik aus dem letzten Jahrhundert. Ein nur als Schutztruppe bezeichneter Pöbel terrorisiert Straßen und Bevölkerung.
 
In die Fänge der vermeintlichen Beschützer gerät auch die unscheinbare TV-Assistentin Evie (Natalie Portman). Nächtens, während der Ausgangssperre wollen sie vier dieser Schützer vergewaltigen. Ein maskierter und kostümierter Sprücheklopfer (Hugo Weaving, Mr. Smith aus "Matrix") rettet die Frau, aber lässt seine Identität im Dunkeln. Seine Ziele erhellt er allerdings mit einem großartigen Feuerwerk: Ein Bombenattentat im Zentrum Londons erinnert an den gescheiterten Anschlag des historischen Freiheitskämpfers Guy Fawkes, der am 5. November 1605 Houses of Parliament, das britische Parlament, in die Luft jagen wollte. Und der sich "V" nennende Unbekannte kündigt die Vollendung dieser Tat für den nächsten Jahrestag an.
 
Bis dahin kreuzen sich die Wege von E V - sprich Evie - und V unwiderruflich, die ängstliche Angestellte wandelt sich nach schrecklichen Erfahrungen von Mord, Entführung, Isolationshaft und Folter zur selbstlosen Freiheitskämpferin. Auch der irische Chef-Polizist Finch (Stephen Rea) wechselt trotz Drohung der Geheimpolizei zur guten Seite, die Verfolgung von V deckt letztendlich auf, wie der Staat gegen die eigene Bevölkerung Krieg führte, es zehntausendfach vergiftete und Militär im eigenen Land einsetze.
 
Äußerlich ein Mummenschanz, eine glänzende Action-Maskerade, überrascht "V wie Vendetta" mit sehr deutlicher politischer Position. Es ist frappant, wie sehr der Staats-Terror im Film der politischen und gesellschaftlichen Situation der USA entspricht: Die schwarzen Säcke über den Köpfen unschuldig Entführter kennen wir aus Guantanamo. Das Regieren mit der Angst taucht ebenso auf wie Panikmache durch Vogelgrippe. Dabei erschien die Vorlage "V for Vendetta" schon 1981 als Reaktion auf den Thatcherismus in dem Comic-Magazin Warrior. Die Autoren Alan Moore und David Lloyd vollendeten ihren Comic-Roman im Jahr 1989. Für die aktuellen Bezüge sind die "Matrix"-Macher Andy und Larry Wachowski verantwortlich, die produzierten und das Drehbuch schrieben. Die Verweise zu ähnlichen Werken wie "Fahrenheit 451" sind unübersehbar, heimliche Humanisten wie der schwule TV-Chef Deitrich (Autor, Regisseur und Schauspieler Stephen Fry in Oscar Wilde-Tradition) genießen versteckte Kultur-Edelstücke. Schauspiel-Legende John Hurt bildet die Klammer zu Orwells 1984: In Michael Radfords Verfilmung spielte Hurt das Opfer Winston Smith, jetzt ist er der teuflische Medien-Kanzler Sutler, der Nachfolger des Big Brothers.
 
So ist das große Finale, wenn triumphierend das Westminster-Parlament in die Luft gejagt wird, auch ein subversiver Sieg des politischen Inhalts über die ansonsten hohlen Hollywood-Explosionen aus oberflächlicher Ästhetik und sinnlosem in die Luft jagen von Aber-Millionen. Da mag man den Wachowskis fast die unsäglichen Matrix-Fortsätze verzeihen.