24.1.06

Caché


Frankreich, Österreich, BRD, Italien 2005 (Caché) Regie: Michael Haneke mit Juliette Binoche, Daniel Auteuil, Annie Girardot 119 Min. FSK ab 12
 
Thriller? Politfilm? Kunstwerk? Der Österreicher Michael Haneke ("Die Klavierspielerin") macht es einem nie leicht. Sein überaus spannendes Vexierbild "Caché" entlarvt über ein Bilderrätsel die erschreckend herzlose intellektuelle Elite des Westens. "Caché" war der große Gewinner der letzten Europäischen Filmpreise.
 
Minutenlang zeigt die Kamera eine kaum belebte Straße, parkende Autos, ein paar Häuser. Dann spult das Bild zurück und ein paar Irritationen weiter wird klar, dass ein Unbekannter das Haus des prominenten Fernsehmoderators Georges Laurent (Daniel Auteuil) gefilmt und ihm das Video anonym zugesandt hat. Diese Bedrohung wiederholt sich und erschüttert auch seine Frau Anne Laurent (Juliette Binoche). In der betreffenden Rue des Iris (!) jedoch keine Spur einer verborgenen Kamera. (Caché heißt "verborgen", "versteckt".) Während das Leben der Familie mit Empfängen, Intellektuellen-Diskussionen im Fernsehen, dem Name-Dropping von Heidegger, Baudrillard und Wittgenstein weitergeht, führen weitere, teilweise blutige Hinweise George zurück in seine Kindheit. Zu einem Adoptiv-Bruder, dessen Eltern beim Polizei-Massaker an Hunderten von Algeriern in Paris starben und den George mit einer Denunziation grausam vertrieb.
 
Die Wiederbegegnung mit dem Jungen von damals entblößt George vollkommen: Dem immer höflichen Mann, der einen tiefen Groll gegen George tragen müsste, begegnet er grob. Immer neurotischer reagiert der Gebildete, immer weniger ist er in der Lage, die Realität wahrzunehmen. Die humanistische Bildung erweist sich als Schein wie die Bücherwände voller Attrappen im Fernsehstudio.
 
Am Ende bleibt das Rätsel um die Videoaufnahmen offen, Haneke kehrt zu dieser Irritation zurück. Doch die menschlich wie ästhetisch höchst aufschlussreiche Suche hat einen sehr aktuellen Mechanismus von Schuldgefühl und Projektion der wohlhabenden westlichen Welt gegenüber den Unterdrückten im Süden offen gelegt.